23.11.2013

Was geht in ihrem Kopf vor? - Die Entwicklung des Willens


Als sie noch ein kleines Baby war und etwas in der Wohnung entdeckt hat, was uns nicht so lieb war, war es leicht sie abzulenken indem wir ihr ganz einfach einen anderen Gegenstand angeboten hatten. Nun, mit 21 Monaten geht dies alles nicht mehr so einfach.

Sie hat einen gewissen Grad an Selbstwahrnehmung erlangt. Sie will etwas und das dann auch sofort. Sie hat ihre klaren Vorstellungen von Sachen und Aktivitäten und beharrt auch auf diese. Wenn wir von der Kinderkrippe nach Hause spazieren, redet sie oft über ihre Sachen, mit denen sie dann zu Hause spielen möchte. Sie will dann mit dem lila Luftballon spielen und sagt dies unterwegs immer und immer wieder. Auch wenn sie ein anderes Buch anschauen möchte, wenn sie etwas bestimmtes essen mag oder an eine liebe Person denkt. Sie denkt an etwas, ohne dieses etwas gesehen oder gehört zu haben. Und das kann manchmal sehr herausfordernd sein. Denn nicht genug, dass sie etwas möchte ohne dieses Etwas sehen zu müssen, sie wird mit der Zeit auch ärgerlich und wütend, wenn sie dieses Etwas nicht oder nicht sofort bekommen kann.

Aber was genau passiert da in ihrem Kopf?
Ich fand im Buch "Montessori von Anfang an" ein paar interessante Gedanken, in denen ich eine Antwort auf meine Frage finden konnte:

"Das Alter von achtzehn Monate bis drei Jahre ist die Zeit, die in unserer Kultur respektlos als Trotzalter etikettiert wird. ... Das Problem des Erwachsenen liegt darin, dass das Kind nun nicht eine Vorstellung von einem Objekt hat, sondern sie auch im Geist festhalten kann - und das für längere Zeit."

Das ist genau das, was ich bei Julia zurzeit erlebe. Doch was kann ich von ihr erwarten? Denn in der Entwicklung steht sie noch nicht soweit, logische Schlussfolgerungen ziehen zu können. 

"Die Gründe zu diskutieren, weshalb ein Kind von unter drei Jahren etwas, was es furchtbar gerne will, nicht haben kann, wird lediglich seine Besessenheit danach festigen. Das Verlangen eines Kindes erhöht sich mit jeder gedanklichen Wiederholung dieses Verlangens. Der Anblick der glänzenden Teekanne seiner Großmutter bleibt ihm die ganze Zeit über im Geist haften, während Sie ihm erklären, warum es die Kanne nicht anfassen darf; alles, was ihr Kind denkt, ist: Teekanne, Teekanne, glänzende Teekanne!...Da es nun seine Gedanken erinnern kann, muss unsere neue Strategie darin bestehen, ihm zu helfen, an etwas anderes zu denken."

Gestern entdeckte sie ihre kaputte Schaukel im Abstellraum und war fest entschlossen, diese zu montieren und wieder benutzen zu wollen. Ich versuchte ihr zu erklären, dass die Schaukel kaputt sei, jedoch hatte ich keine Chanche. Ich begriff, dass dies nicht der richtige Weg ist. Ich versuchte sie abzulenken, indem ich sie dazu motivierte, mir beim Zusammenkleben eines Kartons zu helfen. Sie fand diese neue Tätigkeit interessant und half mit. Doch nach 5 Minuten erinnerte sie sich wieder an ihre Schaukel und wurde ungeduldig, dann zornig und schließlich verzweifelt.

"Funktioniert es nicht den Gedanken des Kindes umzulenken,... müssen Eltern auf direktem Weg Konsequenzen ziehen. Heben Sie das Kind hoch und gehen sie weiter, entfernen sie es von den Süßigkeiten an der Kassa, ziehen Sie ihm seine Hose an, setzen Sie es ins Auto und fahren Sie direkt zum Kindergarten und so weiter. Es ist wichtig, dass Sie mit solch regulierenden Handlungen nicht warten, bis Sie wütend werden."

Auch wenn ich am Anfang dachte, dies sei doch eine Art Unterdrückung ihres Willen, so sehe ich das nicht mehr. Nein, ich sehe dies eher als eine sanfte Hilfe mit Situationen, die sie noch nicht nachvollziehen kann, umzugehen ohne sie dabei zu kränken, zu verletzen, ohne sie zu ängstigen oder ihr das Gefühl zu geben, was Falsches zu machen. Dazu möchte ich noch ein paar Zeilen aus dem Buch zitieren, die ich unglaublich wichtig finde:

"Fügen wir unserem Tonfall eine herausfordernde Note hinzu, erregt diese im Kind eine emotionale Reaktion, die jegliche Willenskraft überlagert, die es bisher entwickeln konnte. Emotionen aber sind in dem Bereich des Gehirns angesiedelt, der neben dem Gedächtnis liegt. Das ist der Grund, warum mit Lernen verbundene Emotionen eine Erinnerung so fest verankern."

(Hierzu fällt mir auch ganz spontan das Problemfeld "Schule" ein.)

5 Kommentare

  1. Hallo Anna!

    Das ist unglaublich interessant, was du hier beschreibst! Mit 15 Monaten stehen wir ja kurz vor diesen Situationen und ich möchte so gerne wissen, wie ich damit umgehen soll!
    Würdest du also sagen, dass man den Kindern die Dinge gar nicht mehr erklären soll (wie z.B. du kannst die Schaukel nicht haben, weil sie kaputt ist) sondern direkt von der Situation weg oder durch das nicht gewollte Autofahren durch oder würdest du schon erst das Erklären versuchen und wenn das nichts bringt (so wird es ja sein) handeln?

    Liebe Grüße,
    Janina

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    1. Ich finde, es ist normal, dass wir zuerst versuchen dem Kind kurz zu erklären, warum etwas nicht geht oder warum etwas eben sein muss. Allerdings ist es nicht so, das nur weil unsere Kleinen so viel verstehen und so viel können, dass wir es von ihnen auch automatisch erwarten dürfen, dass sie unsere Argumente verstehen. Nicht, wenn sie noch so klein sind. Das habe ich auch bei meiner Tochter gemerkt. Denn das führt nur zu Stress, zu Wutanfällen und zu Frustration beiderseits. Das muss doch nicht sein. Wenn sie wütend wird, dann bin ich bei ihr, höre ihr zu, lasse ihren Gefühlen Raum. Aber soweit muss es doch nicht jedes Mal kommen. Dieser Tipp aus dem Buch hat uns bereits enorm viel geholfen. Daher wollte ich ihn mit Euch unbedingt teilen. ;)

      Einen wunderschönen Sonntagabend und alles Liebe,
      Anna

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  2. Ich finde das auch sehr interessant, denn das ist mir völlig neu.
    Bisher bin ich sehr gut damit gefahren, den Kindern zu erklären, warum sie etwas nicht dürfen.
    Eine kaputte Schaukel ist in dem Alter schon ersichtlich und zu verstehen, warum soll ich sie dann davon wegbringen?

    Lieben Gruß
    Simone

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  3. Wir sind schon altersmäßig ein bisschen weiter. Vor Kurzem 3 Jahre geworden. Ich kann nur bestätigen, dass erklären nicht immer hilft! Meine Tochter verstand Erklärungen schon lange richtig gut und ich bin immer super damit gefahren...bis auf die letzten Monate. Plötzlich halfen Erklärungen nicht mehr, es folgten immer mehr "Warum`s?" mal mehr mal weniger ärgerlich. Ablenkung hilft da manchmal und manchmal muss ich sie einfach weg von der Situation nehmen, was nicht gerade auf Zustimmung seitens meiner Tochter stößt! Somit passt das oben Geschriebene gut zu uns und ich bin dankbar für die unterstützenden Zitate, dass es dem Kind auch hilft, wenn man Bestimmt handelt - auch wenn es Geschrei gibt. Ein guter Tipp ist, dass man es machen soll, bevor man selbst ärgerlich ist. Da muss ich noch daran arbeiten, weil ich zu viel Zeit immer noch mit Erklärungen vergeude und mich dann ärgere, anstatt es einmal zu erklären und dann abzulenken bzw. zu handeln. LG Petra

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  4. Interessant, es so gut beschrieben zu lesen, um die Motivation der Kinder zu verstehen. Was die Strategie angeht, man darauf reagieren könne, denke ich aber, eigentlich handeln aufmerksame Eltern meist eh so, wie es dort beschrieben ist -- man kommt eh schnell drauf, dass diese Strategie gut funktioniert (learning by doing, so to speak, ;-)).

    LG,
    Corinna

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