29.12.2013

Vorbild sein: Eine große Verantwortung


"Erziehung ist Vorbild sein und sonst nichts als Liebe."
Maria Montessori

Sie ahmt alles nach, was wir tun oder sagen. Alles. Ob es ein für sie ganz neues Wort ist, eine neue Melodie die wir summen oder ein neues Lied, die Handhabung mit Gegenständen oder sei es eine kleine Handbewegung die wir gar nicht mehr wahrnehmen: sie macht uns nach. Sie beobachtet uns ganz genau und hört auch dann zu, wenn wir mit jemand anderen reden. Auch wenn wir das in dem Moment gar nicht merken.

Und dann plötzlich sagt und tut sie Dinge, wie aus heiterem Himmel. Sie sagt ganze Sätze. Wörter, deren Bedeutung sie womöglich noch gar nicht versteht. Sie macht Sachen, die uns einfach nur zum Staunen bringen. Sie hat uns zugeschaut. Sie hat uns belauscht. Alles in sich aufgesaugt und dabei einiges dazu gelernt. So einfach ist das.

Aber für uns ist das nicht ganz so einfach. Vorbild zu sein ist schwer. Es ist eine ungeheuer große Verantwortung. Vorzuleben, wie wir miteinander in Frieden zusammen leben können, wie wir mit Sachen umgehen, wie wir liebenswert, wertschätzend und selbst wertvoll sind. Dadurch, dass sie uns auf die Finger schaut, macht sie uns noch einmal bewusst, wie wichtig es ist, wie wir etwas machen. Ruhig, überlegt und ordentlich.


Auch die kleinsten Handbewegungen, die von uns schon unbewusst durchgeführt werden um aus einem Glas zu trinken, einen Teller zu halten oder in einen Pullover zu schlüpfen, müssen neu bedacht werden. Denn wenn wir den Teller mit einer Hand in die Küche tragen, macht sie das auch so. Wenn wir das Glas mit einer schlampigen Bewegung, mit nur einer Hand zum Mund führen, macht sie das genau so nach. Und wenn wir blitzschnell was über den Kopf ziehen, ärgert sie sich, wenn sie dies auch probieren möchte aber nicht nachmachen kann. Denn sie will es lernen. Sie will das unbedingt alleine machen.

Oder das Bedanken und Begrüßen! Sie fordert dies bereits regelrecht ein und schaut uns entsetzt an, wenn wir das nur ein einziges Mal vergessen sollten. So wie die Hand schütteln, Gesundheit! und Morgen! sagen. Da darf nichts fehlen. Niemals.

Ich ertappe mich selbst dabei, wie oft ich eigentlich telefoniere. Denn sie macht mich nach. Wie oft ich mit einem Happen im Mund oder noch schlimmer, in der Hand durch das Wohnzimmer sause. Denn sie will dann auch ein Stück haben. Dabei bemühen wir uns sehr, das Essen beim Tisch sitzend einzunehmen. Und ich merke, nicht einmal ich darf da eine Außnahme sein. Denn mit Recht fragt sie sich dann: mit welcher Berechtigung darf sie das da machen? Und warum ich nicht?


Kann man vorbildlich Meinungsunterschiede ausdiskutieren? Vorbildlich wütend sein? Vorbildlich nach etwas verlangen? Kann man vorbildlich miteinander leben ohne dabei auf seine eigenen Bedürfnissen zu verzichten? Vorbildlich sein beim Zuhören? Beim Trösten? Beim geduldig sein? Über all diese Fragen lässt sie mich immer und immer wieder nachdenken und ich versuche mein Bestes. Ich möchte ihr ein gutes Vorbild sein. Und das ist alles andere, als einfach. Es ist eine große Verantwortung.

"Mit Hilfe seines absorbierenden Geistes nimmt es (das Kleinkind) vielfältige Eindrücke seiner Umgebung auf und erfasst die engen Bezugspersonen als Vorbild für das, was Menschsein insgesamt bedeutet."
Ela Eckert
Montessori-Pädagogin, Forscherin und 
Vizepräsidentin der deutschen Montessori-Gesellschaft sowie
Editor des Montessori-Magazines DAS KIND

5 Kommentare

  1. Ein schöner Beitrag und sehr wahr!
    Ich liebe vorallem das Zitat ''Erziehung ist Vorbild sein und sonst nichts als Liebe.'' SO WAHR!!

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  2. Ja, diese Erkenntnis und dessen was es bedeutet ist bei uns auch eingezogen und es ist nicht leicht. Im Gegenteil. Wieviel wir unbewusst tun, wieviel wir unachtsam tun, einfach, weil wir nicht zehnmal in die Küche laufen wollen, sondern nur einmal. Wir sind Vorbild. Immer. So ist das nämlich. Ich habe irgendwo mal folgendes gelesen : don't worry that your children never listen to you; worry that they are always watching you.
    Ich möchte dir ganz herzlich danken für die Zeit, die du dir hier nimmst, um all das mit uns zu teilen. Für das Geschenk, dass du uns an eurem Leben und Wachsen teilhaben lässt. Für deine Gedanken und Inspiration.
    Ich wünsche dir und deiner bezaubernden Familie alles gute für das neue Jahr. Zeit für und miteinander und unzählige weitere Momente zum Ineehalten und Staunen!!!
    Liebe Grüße Nadine

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  3. Vielen Dank auch von mir für den tollen Beitrag und die niedlichen Fotos <3

    Einen guten Rutsch wünschen Janina & die Terrornudel

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  4. Ein toller Beitrag, der mir sehr zum Nachdenken angeregt hat. Unser Sohn ist zwar erst etwas über ein Jahr alt, doch er beginnt nun auch langsam unsere Bewegungen nachzumachen. Also wird es wohl höchste Zeit sich mit dem Thema Vorbild zu beschäftigen.

    Liebe Grüsse
    Nina

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  5. Vielen lieben Dank für Euren unglaublich netten Kommentare! <3 <3 <3
    Alles Liebe und ein erfolgreiches neues Jahr wünscht Euch
    Anna

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