27.07.2014

Selbstständig anziehen - was Julia dabei eine große Hilfe ist


Sich alleine Anziehen zu können ist eine wirklich große Leistung in ihrem Alter. Sie ist mittlerweile sehr geschickt darin und fragt immer seltener nach unserer Hilfe. Wir helfen ihr daher lieber indirekt, damit sie diese große Aufgabe wirklich alleine meistern kann.

Vieles habe ich der Montessori-Pädagogin aus Julias Kinderkrippe zu verdanken. Sie ermutigte mich damals, meine Tochter im Stehen zu wickeln damit sie alle meine Bewegungen genau beobachten kann. "Probieren Sie es einfach, es ist gar nicht so schwer." - sagte sie zu mir. "Wenn Sie langsame, ruhige und klare Bewegungen machen und ihr sogar vorher mit kurzen Sätzen sagen was als nächstes passiert, wird sie alles, was sie sieht, verinnerlichen. Es wird ihr später eine große Hilfe beim selbstständigen Anziehen sein."

Was sie sagte hatte Hand und Fuß und so verabschiedete ich mich vom Wickeln im Liegen, reduzierte mein Tempo beim Aus- und Anziehen, achtete mehr auf klare Bewegungen und hin und wieder sagte ich Julia in einfachen Sätzen, was ich als nächstes machen werde. Somit hatte ich sie ins Geschehen miteinbezogen und das Wickeln im Stehen wirkte auf sie tatsächlich wie eine Einladung aktiv mitzumachen.
 

Da ihr Zimmer sehr klein und dort kein Platz für einen eigenen Schrank ist, richtete ich ihr eine Garderobe in einem unserer Einbauschränke ein. Drei Regalböden in ihrer Augenhöhe gehören ihr. Socken, Unterhosen und Hemdchen wurden in Körbchen sortiert, Hosen, T-Shirts, Westen und Pullis in Stapeln. Um ihr auch selbstständigen Zugang zum Kleiderschrank zu ermöglichen, band ich noch eine Schnur an den Schranktürgriff, so konnte sie daran ziehen und die Tür aufmachen.


Sie räumte oft und gerne ihren Kleiderschrank aus und obwohl das für mich nicht immer einfach war, lies ich sie alles erkunden. Damit sie mit der Zeit einen besseren Bezug zu ihrer Garderobe bekommt, lud ich sie immer wieder ein, mir beim Waschmachinenbefüllen, Wäscheaufhängen und Socken sortieren zu helfen und am Abend bat ich sie, ihre schmutzigen Klamotten selbst in den Wäschekorb zu schmeißen. Sie bekam auch einen eigenen Wäscheständer, sowie einen Tritthocker, so konnte sie mir auch helfen, wenn ich den großen Wäscheständer behängte.


Sie ist derzeit im Alter, in dem sie sehr nach Autonomie strebt. Entscheidungen selbst treffen zu dürfen bedeutet ihr daher eine Menge, sollten diese für mich noch so unbedeutend erscheinen. Deshalb boten wir ihr zwei Hosen und zwei T-Shirts an, von denen sie entscheiden konnte, was sie anziehen möchte.

Bis vor 3-4 Wochen funktionierte das auch wunderbar. Dann aber begann sie alles abzulehnen, was wir ihr anboten und wollte sich ganz alleine aus ihrer Garderobe bedienen. Sie wollte bei strahlendem Sonneschein und 31°C eine dicke Hose anziehen und bei kaltem, windigen Wetter ein dünnes Kleid. Sie ist zur Zeit sehr am Wetter interessiert und deshalb sortierte ich mit ihr gemeinsam ihren Kleiderschrank neu. Wir trennten ihre Kleidung nach kühler und warmer Wetterlage und klebten ihr sogar kleine Bilder als Orientierungshilfe dazu.


Da sie beim Anziehen alles genau beobachten und mitmachen konnte, wollte sie immer mehr alleine probieren. Sie strengte sich an und solange sich diese Anstrengung nicht in Frustration wendete, mischte ich mich auch nicht ein. Wenn sie mich aber um Hilfe bittet, helfe ich ihr indem ich ihr zeige, wie ich das mache. Manchmal muss ich mir dann langsam durch den Kopf gehen lassen, wie das alles eigentlich geht? Welche Griffe und Finger verwende ich beim Anziehen? Welche Bewegungen führe ich dabei durch?


Die Pädagogen in ihrer Kinderkrippe haben es den Kinder so vorgezeigt, dass die Hosen, Strumpfhosen oder Unterhosen zuerst auf dem Boden vor sich ordentlich ausgelegt wurden. So macht sie das auch zu Hause und richtet alles für sich her. Es hilft ihr, sich besser zu orientieren wo die Füße hineingesteckt werden .... und wo sie wieder rauskommen sollten.


Wenn sie etwas bereits alleine an- oder ausziehen kann, bemühe ich mich sehr, mich kein bisschen einzumischen, ich verlasse sogar oft lieber den Raum. Auch wenn sie etwas verkehrt anzieht korrigiere ich sie nicht, sie ist doch so bemüht, so stolz wenn sie etwas alleine meistern konnte. Das möchte ich ihr nicht wegnehmen indem ich sie auf die Fehler hinweise. Und wenn es ihr wirklich unbequem sein sollte, meldet sie sich sofort und bittet uns um Hilfe.

Wir können sie notwendigerweise nicht bei jeder Gelegenheit sich selbstständig anziehen lassen, aber wir achten darauf, dass es so oft wie möglich vorkommt. Und auch sie will es so, denn sie möchte es alleine schaffen.


Bei ihren T-Shirts oder Tops bat sie uns immer um Hilfe. Seit es ihr einmal gelungen ist ihre Hände durch die Öffnungen zu stecken, gibt sie sich sehr viel Mühe es selbst zu schaffen. Es klappt nicht immer, aber wenn sie es schafft, dann strahlt sie vor Freude, ist gut gelaunt durch ihren Erfolg und ein gutes Stück unabhängiger.

2 Kommentare

  1. Wunderbarer Artikel, wie immer!
    Vielen Dank! :)

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  2. Ich lese Deinen Blog im stillen mit. Immer wieder finde ich Anregung und Dinge die mich ermutigen es auch einmal zu probieren. Dieser Tipp hier ist super. Meine Tochter ist jetzt 18 Monate alt und liebt es sich Textilien über den Kopf und über die Beine zu ziehen. So üben wir jetzt das Anziehen und sie wird immer besser. Gestern gab es ein Lob in der Krippe, dass sie sich ihren Schlafanzug (Shirt und Hose) alleine anziehen wollte, durfte und konnte. :-)
    Toll. Manchmal sieht man selbst den Wald voller Bäume nicht. Vielen Dank für Deine tollen Berichte!

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