Die Spielsachen

In unserem zu Hause haben wir (so gut wie) keine typische Montessori-Materialien. Ich persönlich bin begeistert von diesen Materialien (sowieso als Montessori-Pädagogin!), allerdings nicht für den häuslichen Gebrauch. Wozu? Es gibt hier auf den Regalen lediglich ein paar selbstgemachte Montessori-inspirierte Materialien, aber vorwiegend stehen hier ganz normale handelsübliche Spielwaren.

Mittlerweile gibt es auf dem Markt unzählige Spielsachen, aber es lohnt sich beim Kauf ganz genau hinzuschauen. Auch wenn etwas Erwachsenenaugen so süß und spannend vorkommt, sollte man sich die Frage stellen, was kann das Kind damit zuhause anfangen? Macht das Spielzeug wirklich Sinn? (beim Teil dieser Serie "Übungen des praktischen Lebens" möchte ich hierbei noch zurückkommen.) Schrille, laute oder batteriebetriebene Spielwaren sollten daher lieber auf den Geschäftsregalen bleiben, besser sind solche, die die Kreativität wecken, inspirieren, die einfach gehalten und dennoch ästhetisch sind. Spielwaren aus natürlichen Stoffen, wie zum Beispiel Reissäckchen, Holzbausteine und Holzautos oder selbstgemachte Knete fördern dazu auch noch die Sinne. Auch gesammelte Tannenzapfen und Steine, große Walnüsse und Muscheln haben so einiges zu bieten und können vielseitig eingesetzt werden.


Die Spielwarenmenge auf ein Minimum reduziert verschafft den Kleinen einen besseren Überblick und macht auch das Wegräumen (leichter) umsetzbar. Wir haben im Wohnzimmer ein Regal mit Spielsachen in kleinen Körbchen und auch im Obergeschoss im Kinderzimmer zwei kleinere Regale. Wenn ich merke, dass sie ein Spielzeug schon einige Zeit nicht mehr anrührt, räume ich es weg (zum Thema "Beobachtung" komme ich dann noch in dieser Serie).



Um wie viel diese Spielsachen reduziert werden sollten ist nicht immer leicht einzuschätzen, das kenne ich nur all zu gut. Aber es macht sich sofort bei den kleinen Forschern bemerkbar, denn wenn sie alles nur ausräumen und im Raum verteilen oder die Spielsachen erst gar nicht anrühren, ist das Angebot vielleicht doch noch zu viel oder zu einseitig. Manchmal lohnt es sich auch Spielwaren, wie Bausteine von 135 Teile auf nur (zB.) 25 zu reduzieren. Die reichen völlig aus um einen tollen Turm zu bauen.

 

Die restlichen Sachen können bisweilen im Keller, im Abstellraum, in einem Schrank oder in der Waschküche gelagert werden und gelegentlich mit anderen Spielsachen vom Regal ausgetauscht werden. Wir lagern solche Spielsachen in großen Ikea-Boxen im Abstellraum und wenn ein Spielzeug schon lange nicht angerührt wird, kommt es dort hin und vielleicht ein anderes dafür wieder raus. Auch große Mengen an Geschenken werden nicht sofort in den Regalen eingeräumt, sondern nur eines, vielleicht zwei davon (wenn überhaupt). Eine reduzierte Menge an einladenden Spielsachen helfen dem Kind enorm den Überblick zu bewahren, auch beim Wegräumen.


(Die Spielsachen auf den Fotos: Selbstgemachte Knete mit Lavendel und dazu eine Sammlung von Muscheln, Schneckenhäusern, Steinen und Nüssen; Holzbauwagen; ein paar Holzautos; Bausteine zum Zusammenstecken; Hammerspiel;)

Es müssen weder der Rosa Turm noch die Braune Treppe auf den Regalen stehen. Bereits EIN einziges Regal mit vielleicht VIER-FÜNF Körben an handelsüblichen aber gut ausgewählten Spielwaren reicht aus um "montessorischer" zu werden.

Kinder haben (noch) eine sehr ausgeprägte Sinneswahrnehmung. Wahrscheinlich nicht ganz ohne Grund, immerhin nehmen sie die Welt durch all ihre Sinne wahr. Sie greifen liebend gerne die Gegenstände um sie herum an, kleinere Kinder nehmen die Sachen sogar auch in den Mund (der Mundbereich ist sehr lange das Lernwerkzeug Nummer eins bei Babys und Kleinkindern). Alles fühlt sich so interessant an: ein Gegenstand ist weich, der andere eher hart, und andere wiederum fühlen sich zart und filigran an. 

Um diesen Tastsinn spielerisch zu fördern sind die Montessori-Tasttücher eine wunderbare Idee. (Es gehört auch noch eine Augenbinde zum Spiel, die aber ausschließlich auf Wunsch des Kindes benutzt wird und keines Falls aufgezwungen werden sollte!)


Einige Stoffreste hatte ich bereits im Reststoff-Korb aus meiner Nähecke übrig, andere, wie Leder oder Filzstoff, habe ich von meiner Schwester erworben, man kann sie aber auch in Nähgeschäften als Stoffreste bekommen. Von allen Stoffen schneidete ich zwei gleich große Rechtecke zu und legte sie gemischt in den Korb. Man kann auch 2 Körbchen oder Schachteln nehmen, jeweils für eine Serie.

Das Memoryspiel ist simpel: Stoff nehmen, fühlen, das passende Paar suchen und das Paar zusammenlegen. Sollten ältere Kinder mit Augenbinde (oder mit geschlossenen Augen) das Spiel spielen wollen, kann man alle Stoffe auf den Boden auslegen und durch Ertasten die Paare bilden.

 

Auch die Sprache kommt bei dem Spiel nicht zu kurz: neue Wörter wie weich, fein, rau oder dick, Leder, Kord, Seide oder Filzstoff (usw.) können beim Spiel "erfühlt" werden.
 

Neulich erreichte mich eine liebevolle E-Mail von Jitka. Sie erzählte mir über ihre Erfolge mit Montessori bei ihrem kleinen Sohn und gewährte mir wunderbare Einblicke in ihren Alltag und ihr Zuhause. Ich war (und bin)  fasziniert und angetan, sodass ich sie bat, ihre Erfahrungen auch mit Euch zu teilen: 

"Als Kinder der Achtziger Jahre durften mein Bruder und ich sehr entspannt und frei aufwachsen. Meine Eltern legten viel Wert auf eine kindgerechte Umgebung und auf ein respektvolles Miteinander von Anfang an. Entsprechend geprägt waren auch meine Vorstellungen davon, wie ich mal später mit meinen eigenen Kindern umgehen möchte. Doch folgten all diese Dinge keiner festen Struktur oder Pädagogik und konnten mich somit nur teilweise auf meine Rolle als Mutter vorbereiten. Als praktizierende Hebamme dachte ich noch während meiner Schwangerschaft 'im ersten Jahr reichen viel Nähe, Stillen nach Bedarf und ein paar Haushaltsgeräte als Spielanregung schon aus.' Ein eigenes Zimmer hielt ich für unnötig, bevor das Kind nicht wenigstens würde laufen können. Also wurde nur das Nötigste angeschafft: Eine Wickelkommode, ein Beistellbett und eine Krabbeldecke waren unsere 'Einrichtung' für den Neuankömmling.

Inzwischen hat sich meine Einstellung nach und nach verändert. Meine Neugierde ließ mich ein wenig in der digitalen Elternwelt herumstöbern. Und was für ein Glück, dass ich schon recht schnell auf die 'Eltern vom Mars' und die Montessori-Community gestoßen bin! 


Zwar stehen wir noch ganz am Anfang in Sachen Förderung und Pädagogik (unser Sohn zählt inzwischen grade mal 8 Lebensmonate außerhalb des Mutterleibes), aber was ich bis jetzt über die Montessori-Methode erfahren habe, entspricht so stark meiner Einstellung zum Umgang mit Kindern, dass ich einfach dran bleiben und noch viel mehr darüber erfahren möchte.  Sicher hätte das Kinderzimmer anders ausgesehen, dass wir nun nach unserem Umzug in eine größere Wohnung einrichten konnten. Ein Wickeltisch sowie normal große Kommoden und Regale hätten wohl darin gestanden. Das essen lernen wäre wahrscheinlich von Plastiktellern und mit einem Trinklernfläschchen erfolgt...

Aber nein: Unser Schatz hat nun ein kleines Schlaf- und Wickelzimmer mit Bodenbett, in dem er sich bereits jetzt liebend gerne aufhält und tagsüber auch schläft. Ich liebe dieses Zimmer ebenfalls und sehe in jedem Detail die Liebe, die wir unserem Kind gegenüber ausdrücken wollen und den Respekt, mit dem wir ihm ohne Worte vermitteln 'Du hast einen Platz hier bei uns. Du bist uns wichtig und sollst deinen Raum zum Wohlfühlen, Lernen und Entwickeln haben.'


Der eigentliche Spiel- und Bewegungsbereich war sowieso für das Wohnzimmer geplant, doch auch hier konnte ich viel von den neuen Ideen einfließen lassen. So ist er in unserer Nähe und wird ganz natürlich an den alltäglichen Handlungen teilhaben können. Die Beikost führen wir entspannt mit echtem gläsernen Geschirr, Metallbesteck und einer guten Portion Baby-Led-Weaning in Form von Fingerfood ein und wir sind fasziniert, wie schnell der Kleine mit den neuen Herausforderungen zurecht kommt und einen neuen Entwicklungsschritt nach dem anderen meistert. 


Meine Grundüberzeugung, dass Kinder alles mitbringen, was sie brauchen, um sich in ihrem eigenen Tempo und nach ihrem individuellen Muster zu entwickeln, wurde durch die Ansätze von Maria Montessori gestärkt. Und nun habe ich auch das Gefühl zu wissen, wie ich die Umgebung gestalten möchte, in der genau diese Entwicklung und Entfaltung optimal funktionieren kann. Danke, liebe Anna, dass du mit deinem Blog all diese guten Gedanken verbreitest und für viele andere eine Quelle der Inspiration bist!

In herzlicher Verbundenheit
Jitka mit Gonzo Leander"

Ich danke Dir, liebe Jitka für diese wunderbaren Zeilen und schönen Fotos!
 

Seit dieser Blog online ist, stehe ich meiner Frau bei jedem ihrer Beiträge mit Rat und Kritik zur Seite. Doch jetzt würde ich gerne selbst ein paar Worte schreiben, als Laie und dennoch als Papa vom Mars.

Bevor ich meine Frau kennenlernte hatte ich nie wirklich über den Umgang mit Kindern nachgedacht, nicht einmal dann als ich später meine Frau heiratete und den Wunsch verspürte, eine eigene Familie zu gründen. Ich muss schon sagen, einerseits vertraute ich darauf, ein wenig aus der eigenen Kindheit mitgenommen zu haben, andererseits vertraute ich darauf, dass meine Frau als Pädagogin schon wissen würde, was zu tun ist. Doch vor 26 Monaten, als ich dann meine Tochter gleich nach der Geburt in den Armen gehalten und bewundert habe, wurde mir klar: "so alter Junge, jetzt trägst Du Verantwortung....und zwar richtige Verantwortung!" und mir wurde die Wichtigkeit meiner Rolle als Vater das erste Mal so richtig bewusst.

Jedoch war es aber erst mal so, dass vorwiegend meine Frau mit unserer Tochter Zeit verbrachte (ich musste ja arbeiten) und deshalb lies ich mich von ihr, was unsere Tochter angeht, leiten. Ich muss schon ehrlich gestehen, dass ich mich im Gegensatz zu meiner Gattin nicht sooo intensiv mit Montessori beschäftigt habe, doch wir redeten sehr viel darüber (bzw. redete meine Frau darüber) und deshalb wurden wir uns einig: Versuchen wir diesen Weg zu gehen. Tja, leichter gesagt als getan, wie geht man so einen Weg (als Laie)?


Am Anfang tat ich mir ziemlich schwer, eine gewisse, sagen wir mal "Lockerheit" und Ruhe an den Tag zu legen.  Ich kann mich noch erinnern, als meine Frau unserem Krabbelbaby ein Glas Wasser in die Hand gab. (Ein GLAS!) "Wie soll das gut gehen?" - waren meine ersten Gedanken. "Was, wenn das Glas runterfällt und in tausend Stücke zerbricht...?". 

Ebenso schwer konnte ich mir vorstellen, komplett auf das Gitterbett zu verzichten: "Wie? Nicht einmal tagsüber soll sie dort schlafen? Dafür aber auf einer Matratze auf dem Boden? Na das gibt sicher eine Katastrophe, wenn sie selbstständig von ihrem 'Bett' runterkrabbeln kann.". Nun gut, man möge mir zu Gute halten, ich habe es nicht anders gekannt und es war schwer, manche Sachen mit anderen Augen zu sehen.

Nun im Endeffekt passierte gar nichts, weder Gläser sind zerbrochen (lediglich ein Teller), noch wurde das Gitterbett vermisst. Im Gegenteil, das Schlafengehen wurde absolut stressfrei, denn sie kroch ganz von alleine unter ihre Decke. (Dies war eine echte Überraschung für mich, ich hätte nie gedacht, dass ein Kind sowas machen WILL. Ich hörte bisher immer nur das Gegenteil.) Sie wurde ruhiger, genauer, konzentrierter und vor allem fröhlicher denn je. Langsam aber sicher änderte ich also meine Meinung über die Ansätze von Frau Montessori und dadurch änderte sich auch meine Einstellung unserer Kleinen gegenüber. Ich wollte bei dieser "Montessori-Sache" mitmachen und besorgte und baute Möbel zusammen, sägte Stuhlbeinchen ab, damit die Größe passt und half beim Umräumen und Gestalten der Wohnung, damit unser Blondschopf zu Hause selbstständiger sein und im alltäglichen Haushalt mithelfen konnte. 


Als meine Frau mir sagte, wie viel monatlich die Montessori-Kinderkrippe kostet, wurde mir zuerst heiß, dann regelrecht schwindelig, aber sie duldete als Pädagogin (und auch wie eine Pädagogin) keine Widerrede. Wir strichen also unseren Strandurlaub am Meer (aua!) und meldeten unsere Kleine in der Krippe an. Doch ich muss ehrlich gestehen, kein Strandurlaub der Welt hätte mich glücklicher machen können, als der Anblick meiner Tochter heute. Sie ist so ein offenes, fröhliches, tüchtiges kleines Mädchen, das gerne Butterbrote schmiert, Eier pellt und schneidet, Blumen in Vasen arrangiert und ganz und gar höflich ist. Und nie habe ich sie diese Sachen gelehrt oder von ihr erwartet. Ja klar bin ich total befangen, aber was Montessori (und auch die Kinderkrippe) angeht, bin ich absolut überzeugt.


Mittlerweile hat sogar die Großfamilie verstanden, dass es bei Montessori nicht darum geht, das Kind grenzenlos machen zu lassen, was es will, sondern ihm die Freiheit zu lassen, sich so zu sagen selbst zu bilden. Obwohl die Familie zuerst nichts damit anzufangen wusste, dass wir diesen Weg einschlagen wollten, ist sie mittlerweile ziemlich offen und akzeptiert unsere Einstellung mit wachsender Neugierde.

Natürlich muss ich auch manche Sticheleien von meinen Kollegen einstecken, aber ich nehme es absolut gelassen und schmunzle mit ihnen sogar mit, immerhin war ich noch vor gut 14 Monaten ja genau so skeptisch. Meine Kleine ist für mich der beste Beweis für meinen Irrtum. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ein kleines Kind mit seinen Handlungen zu Verstehen geben kann, dass das Leben ein wahres Wunder ist.
 

Wenn ich Montessori in die Suchmaschine eingebe, kommt eine gewaltige Informationswelle auf mich zu. Adressen von Kinderhäusern und Schulen, Aufsätze über die pädagogischen Ansätze, unzählige Zitate und spannende Aktivitäten. Die Auswahl ist regelrecht überwältigend. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Bücher auf dem Markt, dennoch kommt einem die Frage, wenn man sich mehr mit Montessori beschäftigen möchte: Wo fängt man da am besten an? Was genau soll man da tun um "es montessorisch" zu machen?

Mit diesem kleinen Serienbeitrag möchte ich denjenigen, die in dieser Informationsflut regelrecht versinken, einen Rettungsanker zuwerfen und zeigen, wie wir damals mit praktischem Montessori zu Hause gestartet haben. Schritt für Schritt.

Körbchen, Tabletts und offene Regale 

Die Berge von Spielsachen und das Chaos, das sie verursachen, kann zu Hause schnell zum Problem werden. Es lohnt sich daher in geflochtene Körbchen, in Tabletts und niedrige Regale zu investieren. Der Spielzeugchaos hält sich somit um einiges besser in Grenzen, wenn die Sachen für das Kind übersichtlich sind. Erstens, weil die Kleinen schneller finden wonach sie suchen, zweitens, weil sie dafür nicht alles auf den Kopf stellen müssen. Die Körbchen auf den Regalen sind außerdem hübsch und die Spielsachen wirken auch im Wohnzimmer ordentlich.

 

Kleine Tabletts, wie zum Beispiel die Doppelpackung Holztabletts von IKEA, sind ebenso vielseitig wie praktisch. Sie können als Knet- und Zeichenunterlage eingesetzt werden und für die Übungen des praktischen Lebens. Solche mit Tragegriff können die Kinder mit Leichtigkeit tragen und abstellen. Man braucht gar nicht viel, wir haben 3 Tabletts: eins für die Knete, eins für Übungen wie Wasser austeilen und eins für ein Steckspielzeug.

 

Die niedrigen und offenen Regale sind sogar für Krabbbelbabys leicht zugänglich und mit den geflochtenen Körbchen sind sie sogar ein richtiger Blickfang. Nicht nur, dass die Kleinen leichter an ihre Sachen herankommen, ebenso können sie diese auch wieder wegräumen.  Solche Körbchen, Tabletts und Regale müssen aber gar nicht teuer sein, man bekommt sie für einen guten Preis auf Flohmärkten, bei IKEA (als Regale gut geeignet sind zum Beispiel die LAVIA TV-Bank oder das BILLY Buchregal) oder in Korbläden.