14.04.2014

Wie es für mich ist Papa vom Mars zu sein

 

Seit dieser Blog online ist, stehe ich meiner Frau bei jedem ihrer Beiträge mit Rat und Kritik zur Seite. Doch jetzt würde ich gerne selbst ein paar Worte schreiben, als Laie und dennoch als Papa vom Mars.

Bevor ich meine Frau kennenlernte hatte ich nie wirklich über den Umgang mit Kindern nachgedacht, nicht einmal dann als ich später meine Frau heiratete und den Wunsch verspürte, eine eigene Familie zu gründen. Ich muss schon sagen, einerseits vertraute ich darauf, ein wenig aus der eigenen Kindheit mitgenommen zu haben, andererseits vertraute ich darauf, dass meine Frau als Pädagogin schon wissen würde, was zu tun ist. Doch vor 26 Monaten, als ich dann meine Tochter gleich nach der Geburt in den Armen gehalten und bewundert habe, wurde mir klar: "so alter Junge, jetzt trägst Du Verantwortung....und zwar richtige Verantwortung!" und mir wurde die Wichtigkeit meiner Rolle als Vater das erste Mal so richtig bewusst.

Jedoch war es aber erst mal so, dass vorwiegend meine Frau mit unserer Tochter Zeit verbrachte (ich musste ja arbeiten) und deshalb lies ich mich von ihr, was unsere Tochter angeht, leiten. Ich muss schon ehrlich gestehen, dass ich mich im Gegensatz zu meiner Gattin nicht sooo intensiv mit Montessori beschäftigt habe, doch wir redeten sehr viel darüber (bzw. redete meine Frau darüber) und deshalb wurden wir uns einig: Versuchen wir diesen Weg zu gehen. Tja, leichter gesagt als getan, wie geht man so einen Weg (als Laie)?


Am Anfang tat ich mir ziemlich schwer, eine gewisse, sagen wir mal "Lockerheit" und Ruhe an den Tag zu legen.  Ich kann mich noch erinnern, als meine Frau unserem Krabbelbaby ein Glas Wasser in die Hand gab. (Ein GLAS!) "Wie soll das gut gehen?" - waren meine ersten Gedanken. "Was, wenn das Glas runterfällt und in tausend Stücke zerbricht...?". 

Ebenso schwer konnte ich mir vorstellen, komplett auf das Gitterbett zu verzichten: "Wie? Nicht einmal tagsüber soll sie dort schlafen? Dafür aber auf einer Matratze auf dem Boden? Na das gibt sicher eine Katastrophe, wenn sie selbstständig von ihrem 'Bett' runterkrabbeln kann.". Nun gut, man möge mir zu Gute halten, ich habe es nicht anders gekannt und es war schwer, manche Sachen mit anderen Augen zu sehen.

Nun im Endeffekt passierte gar nichts, weder Gläser sind zerbrochen (lediglich ein Teller), noch wurde das Gitterbett vermisst. Im Gegenteil, das Schlafengehen wurde absolut stressfrei, denn sie kroch ganz von alleine unter ihre Decke. (Dies war eine echte Überraschung für mich, ich hätte nie gedacht, dass ein Kind sowas machen WILL. Ich hörte bisher immer nur das Gegenteil.) Sie wurde ruhiger, genauer, konzentrierter und vor allem fröhlicher denn je. Langsam aber sicher änderte ich also meine Meinung über die Ansätze von Frau Montessori und dadurch änderte sich auch meine Einstellung unserer Kleinen gegenüber. Ich wollte bei dieser "Montessori-Sache" mitmachen und besorgte und baute Möbel zusammen, sägte Stuhlbeinchen ab, damit die Größe passt und half beim Umräumen und Gestalten der Wohnung, damit unser Blondschopf zu Hause selbstständiger sein und im alltäglichen Haushalt mithelfen konnte. 


Als meine Frau mir sagte, wie viel monatlich die Montessori-Kinderkrippe kostet, wurde mir zuerst heiß, dann regelrecht schwindelig, aber sie duldete als Pädagogin (und auch wie eine Pädagogin) keine Widerrede. Wir strichen also unseren Strandurlaub am Meer (aua!) und meldeten unsere Kleine in der Krippe an. Doch ich muss ehrlich gestehen, kein Strandurlaub der Welt hätte mich glücklicher machen können, als der Anblick meiner Tochter heute. Sie ist so ein offenes, fröhliches, tüchtiges kleines Mädchen, das gerne Butterbrote schmiert, Eier pellt und schneidet, Blumen in Vasen arrangiert und ganz und gar höflich ist. Und nie habe ich sie diese Sachen gelehrt oder von ihr erwartet. Ja klar bin ich total befangen, aber was Montessori (und auch die Kinderkrippe) angeht, bin ich absolut überzeugt.


Mittlerweile hat sogar die Großfamilie verstanden, dass es bei Montessori nicht darum geht, das Kind grenzenlos machen zu lassen, was es will, sondern ihm die Freiheit zu lassen, sich so zu sagen selbst zu bilden. Obwohl die Familie zuerst nichts damit anzufangen wusste, dass wir diesen Weg einschlagen wollten, ist sie mittlerweile ziemlich offen und akzeptiert unsere Einstellung mit wachsender Neugierde.

Natürlich muss ich auch manche Sticheleien von meinen Kollegen einstecken, aber ich nehme es absolut gelassen und schmunzle mit ihnen sogar mit, immerhin war ich noch vor gut 14 Monaten ja genau so skeptisch. Meine Kleine ist für mich der beste Beweis für meinen Irrtum. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ein kleines Kind mit seinen Handlungen zu Verstehen geben kann, dass das Leben ein wahres Wunder ist.

11 Kommentare

  1. Toll, dass ihr das gemacht habt! Ich wünschte hier gäbe es eine Montessori-Krippe, umso dankbarer bin ich für eure vielen, vielen Anregungen, die auch bei uns Einkehr gehalten haben. Das mit dem Strandurlaub stimmt aber das Fazit danach ist wirklich schön!
    Alles Liebe
    Veronika

    AntwortenLöschen
  2. Schön! Das macht mir Hoffnung, dass mein Mann das später genauso sieht, denn auch er verlässt sich einerseits auf Mutter und Pädagogin, auf der anderen Seite nimmt er dem kleinen Schmetterling vieles aus der Hand, weil es gefährlich sein könnte.
    Wirklich schön, wie Kinder uns immer wieder zeigen, was wirklich wichtig ist im Leben!
    Liebe Grüße

    AntwortenLöschen
  3. Kuhler Kommentar, Tommi!

    Und kann ich, für das, was wir von Montessori für uns übernommen haben, vollkommen nachvollziehen!

    lg aus Graz

    AntwortenLöschen
  4. herzerwärmend zu lesen!!
    Lieben Gruß vom Meer ;-)
    Tine

    AntwortenLöschen
  5. Ich finde das Montessori-Modell toll, bei uns gibt es leider solch eine Betreuungsstätte nicht. Aber bewundernswert, dass ihr sogar euren Strandurlaub "geopfert" habt.

    Alles Liebe weiterhin von UNS

    AntwortenLöschen
  6. Wie schön, auch einmal vom Mars-Papa zu lesen! :-) Ich mag deinen Post sehr gerne, weil er zeigt, dass sich auch "ungelernte" an Montessori herantrauen können. Ich finde es toll, wie ihr das so macht. :-)

    Liebe Grüße
    Steffi

    AntwortenLöschen
  7. Welc wunderschöne Worte, die uns als Neueinsteigern besonders viel Mut machen. Vielen Dank dafür!

    Liebst, Mathilda

    AntwortenLöschen
  8. Danke für diesen Beitrag! Ich freue mich immer etwas von den Vätern zu lesen - schließelich gehören sie (in der Regel) auch dazu. Das Bild wird kompelett und zeigt, wie die Väter die Situation erleben, (hinein)wachsen, gestalten, begleiten...

    Euch weiterhin einen wundervollen, erfüllten und glücklichen Weg.

    Lieb, Ann-ka

    AntwortenLöschen
  9. Schön von einem Vater zu lesen! Und ich kann es bestätigen: Auch unsere Montessori-Krippe war/ist jeden Cent wert. Habe mir viele Kigas angesehen - kein Vergleich.

    Alles Liebe vom Fräulein

    AntwortenLöschen
  10. Sehr schön geschrieben, danke für diesen Post aus Sicht eines Papas!!!

    AntwortenLöschen
  11. Danke, das war echt schön zu lesen!

    AntwortenLöschen

(Wenn Du auf meinem Blog kommentierst, werden die von Dir eingegebenen Formulardaten [und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. Deine IP-Adresse] an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest Du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.)