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In der Montessori-Kleinkindgruppe, in der ich tätig war, wechselten wir das Materialangebot weniger nach einem Zeitplan, viel mehr aufgrund unserer Beobachtungen und des Entwicklungsbedarfes der Kinder. Manchmal tauschten wir ein Material bereits nach 2 Wochen wieder aus, manches ließen wir aber sogar 4 Wochen oder länger auf dem Regal stehen.

Es war uns wichtig, darauf zu achten, dass das Materialangebot vielseitig ist. Aber für mich bedeutet es nicht unbedingt, dass dieses Materialangebot häufig gewechselt werden müsste. Ich bin sogar dafür, dass das Angebot länger auf den Regalen stehen bleibt, damit junge Kinder tatsächlich die Möglichkeit haben, diese Materialien in ihrem eigenen Tempo zu entdecken und zu erforschen und durch Wiederholungen, die Herausforderungen zu meistern. Manche Materialien werden vielleicht deswegen eine Zeit lang nicht von den Kindern beachtet, weil andere sie gerade mehr fesseln. Oder möglicherweise deswegen, weil die Herausforderung doch zu groß ist. Aber ich denke, auch diese Dinge zu beobachten oder ob ein Material nur ein wenig verändert werden muss, damit die Kinder zurechtkommen, braucht eben Zeit.

Abgesehen davon lag der Fokus in der Kleinkindgemeinschaft viel mehr beim praktischen Alltagsleben innerhalb der Gruppe. Die Kinder schälten lieber Bananen und Eier, deckten den Tisch, wuschen ihre Hände und begossen die Pflanzen im Gruppenraum und im Garten.


Ganz ähnlich mache ich das auch zu Hause mit Jakob. Der Fokus liegt eher bei unserem Familienalltag. Aber auch was den Inhalt seines Regals betrifft, ist es mir wichtig, ihm eher weniger und auch seltener etwas neues anzubieten, dafür aber gut überlegte und sinnvolle Materialien:
  • Ich beobachte ihn um herauszufinden, welche Interessen bzw. welche Entwicklungsbedürfnisse er hat und versuche dementsprechend, ihm Materialien und Aktivitäten anzubieten. Und wenn er das Angebot annimmt, beobachte ich ihn, wie er mit diesem Material arbeitet. Denn oft merke ich erst dann, wenn das Material noch ein wenig optimiert werden muss, ob es für ihn noch eine zu große oder vielleicht überhaupt keine Herausforderung mehr ist und er schnell das Interesse verliert.
  • Ich achte darauf, die Regale übersichtlich zu gestalten und auf diesen wirklich nur wenige Materialien anzubieten. Jakob hat zwei Regale, eines in seinem Zimmer, eines im Wohnzimmer und auf jedem Regal stehen maximal nur 6-7 Materialien. Vor einem Jahr waren es noch weniger, vielleicht nur 4 oder 5. Dadurch, dass so wenig auf seinen Regalen steht, tut er sich leichter, sich etwas vom Angebot auszusuchen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren und das Material danach auch wieder selbstständig auf seinen Platz zurück zu räumen.
  • Statt ständig etwas neues zu kaufen, stelle ich lieber selbst Materialien her, ändere die bereits vorhandenen ein wenig und biete Jakob auch "ältere", ihm bereits bekannte Sachen erneut an. Er liebt es, diese neu zu entdecken und manchmal kann ein Material einem Kind zu einem späteren Zeitpunkt etwas ganz neues bieten, was es vorher noch nicht konnte. Und wenn ich Jakob dann doch etwas neues kaufen möchte, nutze ich meistens Ostern, Weihnachten und seinen Geburtstag als Gelegenheit und versorge dabei auch die Familie mit Tipps für passende Geschenkideen.


Auf seinen Regalen stehen zurzeit:
1. // Ein Passform-Ständer mit 3 farbigen Passformscheiben, die Jakob geschickt in eine bestimmte Position bringen muss, um sie auf den Ständer raufstecken bzw. wieder runterfädeln zu können.

2. // Ein selbstgenähter sensorischer Beutel mit ein paar Gegenständen aus der Natur, wie zum Beispiel einem Tannenzapfen, einem Stöckchen, einem leeren Weinbergschneckenhaus, einem ungeschliffenen Rosenquarz und eine Frucht der Ahonblättriger Platan.  Dazu eine kleine Filzunterlage, um die Gegenstände darauf auslegen zu können. Das Beutelchen ist innen nahtlos, so dass die kleinen Hände wirklich nur den Inhalt ertasten können. Jakob liebt dieses Material und obwohl er den Inhalt bereits kennt, greift er liebend gerne in das Säckchen um die Gegenstände noch einmal zu ertasten und heraus zu räumen.


3. // Ein Holz-Steckspiel*, wobei Jakob die kleinen Holzzylinder mit dem Pinzettengriff in die Vertiefungen steckt. Die kleinen Holzzylinder zum Stecken habe ich allerdings auf nur 9 Stück und 3 Farben reduziert, so kann Jakob diese in einer Reihe auslegen und auch ohne bestimmte Vorgaben sortieren, wenn er möchte.

4. // Eine handbemalte Matroschka Puppe, die er von seiner Schwester vererbt bekommen hat und die er nach wie vor unglaublich spannend findet. Unsere Matroschka Puppen waren ein Geschenk vom Großonkel, die er von einer seiner Reisen mitgebracht hatte, aber sehr schön, klassisch und schlicht finde ich zum Beispiel auch dieses Set*.

5. //Ein kleiner, flacher Korb mit einigen wenigen Hotz-Bauklötzen, die Jakob gerne stapelt, in einer Reihe aufstellt oder ineinander fügt.

6. // Einige Holzschrauben, Holzmuttern und Bauelemente* die nach Herzenslust zusammengeschraubt und dabei auch die kleinen Hände geschickt eingesetzt werden können.


7. // Ein Korb mit verschiedenen Fahrzeugen*,dazu passende Abbildungen als Sprachmaterial. Er ist ganz begeistert von den Fahrzeugen, die er auf der Straße und auf den Baustellen sieht, so kann er diese anhand der Modelle noch einmal genauer anschauen und auch deren Namen wiederholen.

8. // Ein schlichtes Puzzle mit einem Giraffen-Motiv, das ich ihm erneut auf das Regal gestellt habe.


9. // Ein Korb mit Gegenständen, die sich ganz unterschiedlich öffnen und schließen lassen: Eine kleine, selbstgenähte Tasche mit Zippverschluss, eine mit einem Metallbügel, ein Schmuckkästchen mit Druckknopf, ein kleines Glas mit Drehdeckel und eine Schmuckschatulle mit einem Klappdeckel.


10. // Ein bunter Sortier-Kegel, wobei zuerst die inneren Zylinder, dann die äußeren Puzzleteile ihrer Größe nach gestapelt werden können. Eigentlich steht dieser Sortier-Kegel schon seit Weihnachten auf Jakobs Regal, aber er liebt ihn und experimentiert auch gerne beim Zusammenbauen, ob es auch andere Möglichkeiten gibt.

11. // Diesen Sound-Würfel mit Bauernhoftieren* bekam er auch zu Weihnachten und obwohl ich ihm so gut wie nie "Geräusche machende" Spielsachen anbiete, fand ich diesen Soundwürfel richtig spannend. Wenn Jakob die Würfel so nebeneinander stellt, dass dabei ein Tier zu erkennen ist, gibt der Würfel ein echtes Tiergeräusch dieses Tieres von sich. Wir verwenden diese Würfel als ein Sprachmaterial, wobei ich Jakob die Geräusche benannt habe (wiehern, muhen, grunzen...). Ich mag auch die Illustrationen, die sehr realistisch sind, allerdings ist unser Soundwürfel aus Plastik. Dafür entdeckte ich auch welche hier aus Holz*.

12. // Ein Korb mit Schleichfiguren, genauer gesagt mit einheimischen Waldtieren, dazu selbsterstellte Kärtchen, um die Figuren passend zuordnen zu können. Dieses ist auch ein Sprachmaterial, wenn ich also sehe, dass Jakob sich diesen Korb vom Regal holt, setze ich mich zu ihm und benenne ihm die Tiere. Und manchmal sortiert er alleine die Figuren einfach zu den Kärtchen.


13. // Im Wohnzimmer, wo auch sein kleiner Tisch steht, hat er auch einige Kunstmaterialien auf den unteren Fächern des Bücherschrankes stehen, allerdings nie mehr als 3 verschiedene Angebote. Meistens eher nur 2. Zurzeit steht hier wieder die Arbeit mit den Wachsmalblöcken* bzw. ... (15. //) ein winzig kleiner Locher* mit einigen dünnen Papierstreifen. Mehr über seine Kunstmaterialien und wie ich diese anbiete, schrieb ich bereits in diesem Beitrag.

14. // Diese kleine Holzschatulle, die ich auf dem Flohmarkt fand, füllte ich mit einigen größeren Holzperlen und einer dünnen Lederschnur zum Fädeln. Die Fädelperlen sind von Möbelschweden und weil Jakob mit der Bauwollschnur einfach nicht zurecht kam, (weil er diese kaum durch die Löcher stecken konnte,) bot ich ihm lieber diese dünne Lederschnur* an, die viel stabiler ist und die er daher auch viel leichter durch die Löcher führen kann.

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"Das Alter von 18 Monaten bis 3 Jahren ist die Zeit, die in unserer Kultur respektlos als 'Trotzalter' etikettiert wird. Möglicherweise denken manche in so abschätzigen Begriffen über diese neue Phase des Selbstaufbaus, weil sie hierfür so unvorbereitet sind und haben keine Ahnung, warum kleine Kinder, die bisher vergleichsweise kooperativ waren, auf einmal so unmöglich erscheinen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen." - Lillard/Jessen, Montessori von Anfang an, S. 201

Vor ein paar Tagen hatten wir einen wichtigen Arzttermin und waren schon ziemlich spät dran. Da Jakob seit einem halben Jahr sowohl den Kinderwagen als auch die Trage vehement ablehnt, gingen wir wie üblich zu Fuß zur U-Bahn. Bei der Haltestelle angekommen, wollte er unbedingt die Stufen nehmen, doch als ich auf meine Uhr und dann auf die 110 Stufen vor mir blickte, ahnte ich schon, wie das ausgehen würde. Ich sagte ihm, dass ich ihn tragen müsste und nahm die Stufen in Windeseile mit einem tobenden Kleinkind auf meinem Arm.

Er schrie und zappelte die ganze Fahrt hindurch. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir einen Sitzplatz ergattern konnten, denn der Waggon war voller Menschen. Gegenüber saß eine ältere Dame und beobachtete uns. Nach einer Weile wandte sie sich zu mir und fragte, ob ich mit ihr Platz tauschen möchte, da neben ihr der Platz frei wäre und meinte noch "... damit es für Sie weniger stressig ist."

Das saß. Die Dame meinte es nett, ich weiß, aber ihre Anmerkung traf mich wie ein Blitzschlag. Denn ich war tatsächlich mehr damit beschäftigt, was Jakobs Geschrei mit mir machte und wie mich all die Menschen in der U-Bahn anschauten, als mit der Tatsache, wie ich ihm helfen könnte. Klar war er laut und zappelte wild. Aber eigentlich war er es doch, der in Not war, nicht ich?!


Das in diesem Moment so zu sehen, war so eine Erleichterung! Plötzlich war es mir egal, was die Menschen um uns herum über uns dachten und sah auf einmal dieses 2 jährige Kind vor mir, das einfach nur deshalb tobte, weil es genau wusste, was es wollte. Es wollte doch nichts anderes, als seinem inneren Bauplan Folge zu leisten,  da es aber erst 2 Jahre alt ist und im Hier und Jetzt lebt, konnte es noch nicht nachvollziehen, warum es diesmal von seiner großen Arbeit abgehalten wurde. Und dann war auch noch dieses überwältigende Gefühl, die Wut. Seine letzte Chance, um sich zu verteidigen, doch die es gleichzeitig so unglaublich hilflos fühlen ließ!

Vielleicht ist es wirklich nur eine Sache des Blickwinkels. Statt es einfach als eine "Trotzphase" abzutun und dabei den Fokus mehr auf die eigene Sichtweise und Unbehaglichkeit zu richten, sich lieber darauf zu konzentrieren, was hinter diesen Wutausbrüchen steckt: ein unglaublich großer Entwicklungsschritt! Ich erlebe Jakob nicht weniger kooperativ, wie bisher, immerhin möchte er dazugehören. Nur dass er jetzt auch etwas wichtiges zu verteidigen versucht, das er für sich endlich entdeckt hat: nämlich seinen eigenen Willen!

Auf jeden Fall blieb ich erstaunlich gelassen und obwohl Jakob bis zur Arztpraxis sehr unrund war, kamen wir sogar pünktlich zu unserem Termin. Während ich dort meine E-Karte aus der Tasche fischte, fragte mich der Herr beim Empfang, was passiert war, warum Jakob denn so knautschig wäre. Und während sich Jakob fest an mich klammerte und ich ihn umarmte, antwortete ich: "Es ist alles in Ordnung. Er weiß eben, was er will."


Solche Wutanfälle gibt es bei uns natürlich öfters. Und auch wenn es mir nicht immer gelingt, Jakob dabei mit so viel Gelassenheit zu begegnen, wie ich es möchte, versuche ich, mich darauf zu fokussieren, wie ich ihm helfen kann:

  • In dem ich seine Gefühle akzeptiere. Ich weiß, dass er noch keine Impulskontrolle hat und ich ihn gar nicht davon abhalten könnte, seine Wut rauszulassen. Und um ehrlich zu sein, wollte ich das auch nicht. Worauf ich jedoch achte, ist, dass er dabei weder sich, noch andere verletzen kann. 
  • In dem ich seine Gefühle respektiere. Wenn er so in Rage kommt, lässt er sich weder umarmen, noch berühren, was ich absolut nachvollziehen kann. Wenn wir nicht gerade in einer Situation sind, wo ich ihn doch halten muss, bleibe ich zwar bei ihm, aber ich warte, bis er mir signalisiert, dass er getröstet werden möchte.  
  • In dem ich seine Gefühle bestätige und ihm so zeige, dass ich ihn wahrnehme. Dennoch vermeide ich es, ihn ständig daran zu erinnern, was der Auslöser seiner Wut war um ihm so die Möglichkeit zu geben, auf andere Gedanken zu kommen. 
  • In dem ich meine innere Ruhe bewahre und geduldig bleibe. Sei der Auslöser seiner Wut in meinen Augen noch so irrational. Aber ich merke, wie viel leichter es ihm dann fällt, mit seiner Frustration klar zu kommen und die Situation zu akzeptieren. Und um ehrlich zu sein, geht es mir nicht anders, wenn ich wütend bin. Die größte Hilfe sind dann für mich nicht die Ratschläge, das Mitleid von anderen oder gar Ignoranz, sondern jemand, der für mich einfach da ist und mir das Gefühl gibt, der sichere Hafen in stürmischer See zu sein.


Es gibt allerdings einiges, worauf ich im Alltag achte, wodurch uns schon so manche Wutanfälle erspart blieben und ich gleichzeitig auch Jakobs Bedürfnis nach mehr Unabhängigkeit gerecht werden kann:

  • Ihm keine Fragen stellen, wenn ich ihm bei etwas nicht die Wahl überlassen möchte. Statt ihn also zu fragen, ob er sich die Zähne putzen mag, lade ich ihn einfach dazu ein ("Jetzt kannst Du Deine Zähne putzen."). Aus demselben Grund habe ich mir auch die "Ja-Fragen" am Ende meiner Sätze abgewöhnt.
  • Die Umgebung für ihn passend vorbereiten, so dass er die Möglichkeit hat, sich aktiv und sinnvoll in den Familienalltag einzubringen. Echte Aufgaben rund um den Haushalt sind so bereichernd für junge Kinder, auch wenn dadurch die Aufgaben nicht unbedingt schneller erledigt werden. Aber genau diese Aktivitäten ermöglichen ihm, eine Balance zwischen seinen Impulsen und seiner Selbstbeherrschung zu finden.
  • Ihm so oft, wie möglich, die Möglichkeit geben, eigene Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet für mich aber nicht, dass er jederzeit tun kann, was immer er will, immerhin kann er noch nicht die Verantwortung für seine eigene Sicherheit und Gesundheit übernehmen und auch nicht für die von anderen. Aber es gibt unzählige Situationen im Alltag, wo ich ihm einfach 2 Optionen zur Auswahl anbieten kann, zwischen denen er sich selbst entscheiden kann.
  • Ihm mit einem regelmäßigen Tagesablauf das Gefühl von Sicherheit bieten und ihm die "Übergänge" rechtzeitig vorankündigen, damit er sich auf diese neue Situation vorbereiten kann.
  • Die Dinge möglichst positiv sehen und mit mehr Leichtigkeit und Humor nehmen. Einerseits, weil lachen verbindet und uns dadurch schon einige unnötige Stresssituationen erspart blieben. Andererseits, weil ich denke, dass ich meinen Kindern beim Positiven Denken ebenso ein Vorbild sein kann. Ich kann sie nicht vor Frustration bewahren. Aber durch eine positive Einstellung sie darin stärken, die Dinge dennoch optimistisch anzugehen und an ihre eigenen Fähigkeiten zu glauben.