
... sage ich mir selbst als ein Mantra, während ich im Vorraum stehe und das Stillleben betrachte, das meine 8-jährige Tochter hinterließ. Ihre Schuhe liegen verstreut auf dem Boden: der linke gleich bei der Eingangstür, der rechte 1 Meter weiter in der Ecke. Ihre Jacke hängt diesmal zwar auf einem Kleiderbügel, gibt aber mit dem, nach innen gestülpten Ärmeln und nur durch die Nackenschlaufe gesteckten Bügelhaken ein recht ramponiertes Abbild her. Und wie der Roller in der Mitte vom Raum zum Stillstand kam, davon scheint eine lange Spur aus Erdklumpen zu zeugen.
"Als wären sie unsere Gäste..." wiederhole ich meine Gedanken, um dem Drang zu widerstehen, laut nach meiner Tochter zu rufen. Denn ich weiß nur zu gut, was ich ihr aus Wut an den Kopf werfen würde. Zum Beispiel, dass sie ihre Schuhe schon wieder nicht weggeräumt hat. Und dass sie mit 2 Jahren ordentlicher war, als jetzt mit 8! "Dabei wäre es ja wirklich nur eine kleine Handbewegung, die Schuhe ordentlich aufzustellen."- sage ich zu mir laut. Und dann die Jacke. Dabei weiß ich, wie sehr sie sich wieder beim Anziehen ärgern wird, weil sie spätestens dann die Ärmel wieder rausstülpen muss. Und ja, ich würde sie auch ziemlich vorwurfsvoll daran erinnern, dass ich es ihr bereits 100 mal gesagt habe, dass sie bitte den Roller VOR der Tür lassen soll!
"Als wären sie unsere Gäste... als wären sie unsere Gäste..." murmele ich vor mich hin und während ich diesen Satz immerzu wiederhole, fange ich an, mich etwas zu beruhigen. Und im Grunde weiß ich doch, dass ihr all diese Dinge vorzuwerfen, gar nichts bringen würde. Denn weder würde ich mich dadurch wirklich besser fühlen, noch würde es sie motivieren, es beim nächsten mal anders zu machen. Das einzige, was ich in ihr wohlmöglich hinterlassen würde, wäre dieses zerschmetternde Gefühl, alles falsch zu machen und nie gut genug zu sein. Sie ist 8. Neugierig und voller Tatendrang. Und ich weiß, dass sie nicht mich ärgern will, sondern ganz einfach mit solchen Dingen, wie schnell hinter sich Aufräumen, keine Zeit verschwenden mag. Denn wer hat schon bitte für so etwas Zeit, der gerade dabei ist, die Welt für sich zu erobern?
"Als wären sie unsere Gäste... als wären sie unsere Gäste..." murmele ich vor mich hin und während ich diesen Satz immerzu wiederhole, fange ich an, mich etwas zu beruhigen. Und im Grunde weiß ich doch, dass ihr all diese Dinge vorzuwerfen, gar nichts bringen würde. Denn weder würde ich mich dadurch wirklich besser fühlen, noch würde es sie motivieren, es beim nächsten mal anders zu machen. Das einzige, was ich in ihr wohlmöglich hinterlassen würde, wäre dieses zerschmetternde Gefühl, alles falsch zu machen und nie gut genug zu sein. Sie ist 8. Neugierig und voller Tatendrang. Und ich weiß, dass sie nicht mich ärgern will, sondern ganz einfach mit solchen Dingen, wie schnell hinter sich Aufräumen, keine Zeit verschwenden mag. Denn wer hat schon bitte für so etwas Zeit, der gerade dabei ist, die Welt für sich zu erobern?
Na gut, Aufräumen gehört dennoch dazu. Und es ist mir wichtig, meine Bedürfnisse mitzuteilen. Wo fange ich also an, meiner Tochter anders zu begegnen? Ohne ihr Vorwürfe zu machen? Ohne sie dabei zu kränken?
Wie würde ich jetzt meinem Gast begegnen? Jemanden, den ich sehr liebe, den ich dennoch gerne bitten wollte, seine Sachen ordentlicher wegzuräumen? Würde ich ihm wirklich vorwerfen, mit 2 Jahren wahrscheinlich ordentlicher gewesen zu sein, als jetzt mit (sagen wir) 36? Oder ihn einfach darauf aufmerksam machen, wo die Schuhe hingehören? Würde ich ihm böse Blicke zuwerfen und mit ihm schimpfen, warum er seine Jacke so aufhängt? Oder ihn einfach nur daran erinnern, wie bzw. wo er die Jacke aufhängen kann? Und ihm das vielleicht auch zeigen? Würde ich ihn anfauchen, wieso er es nicht schafft, seinen Roller vor der Tür abzustellen oder ihn daran erinnern, wo er den Handbesen und die Schaufel finden kann (während ich seinen Roller vor die Tür schieben würde)?
Es wäre mir wichtig, meine Bedürfnisse mitzuteilen. Aber ich würde dies gewaltfrei und freundlich tun. Ohne meinen Gast dabei kränken zu wollen. Ja, so möchte ich auch meiner Tochter begegnen. Weil es mir wichtig ist, sie wissen zu lassen, dass meine Liebe zu ihr an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Weder an liegen gelassenen Schuhen, noch an ordentlich aufgehängten Jacken. Weder an vor der Tür abgestellten Rollern, noch an aufgekehrten Erdklumpen. Ich liebe sie so oder so. Bedingungslos.
Es wäre mir wichtig, meine Bedürfnisse mitzuteilen. Aber ich würde dies gewaltfrei und freundlich tun. Ohne meinen Gast dabei kränken zu wollen. Ja, so möchte ich auch meiner Tochter begegnen. Weil es mir wichtig ist, sie wissen zu lassen, dass meine Liebe zu ihr an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Weder an liegen gelassenen Schuhen, noch an ordentlich aufgehängten Jacken. Weder an vor der Tür abgestellten Rollern, noch an aufgekehrten Erdklumpen. Ich liebe sie so oder so. Bedingungslos.
09.04.2020
Montessori macht uns nicht zu perfekten Eltern! - Und auch Kinder nicht zu "perfekten" Kindern!

Seit 5 Wochen sitzen wir mittlerweile wegen Corona zu Hause in der Isolation fest. Das heißt, die Kinder und ich, denn mein Ehemann muss nach wie vor in die Arbeit fahren. Tagsüber bin ich also alleine mit den Kindern und versuche, neben dem ganz gewöhnlichen Haushalt, meinem Schulkind Darbietungen zu geben, oder es zu managen, damit es gut alleine arbeiten kann, während ich seinem kleinen Bruder mit möglichst sinnvollen Aufgaben bei Laune zu halten versuche. Und wenn ich dann noch eine halbe Stunde am Tag finde, wo es im Haus tatsächlich etwas ruhiger ist, setze ich mich zum Laptop, um meine Eltern-Webinars zu planen und hier meine Gedanken abzutippen. Randnotiz: Diesen Beitrag habe ich vor gut einer Woche angefangen zu schreiben. So viel zum Thema ruhigere Minuten im Haus...
Die Webinars, die ich Abends anderen Eltern über Montessori zu Hause anbiete, fühlen sich umso mehr wie mentale Ruheoasen an. Endlich Zeit, mich in etwas ungestört zu vertiefen. Endlich Zeit, meine Gedanken auch mal zu Ende denken zu können. Und ich merke, wie gut es wiederum anderen Eltern tut, wenn ich ihnen erzähle, wie oft ich am Tag in dieser Isolation an meine Grenzen komme, wie oft sich meine Kinder streiten und wie sehr ich mich jeden Tag darauf freue, wenn am Nachmittag die Wohnungstür aufgeht und ich die Stimme meines Mannes höre: "Hallo meine Lieben! Ich bin wieder da!" Weil es vielen Eltern ähnlich geht, wie mir, die sich jedoch Vorwürfe machen, warum sie trotz Montessori mit ihren eigenen Kindern so ungeduldig werden.
Montessori macht uns nicht zu perfekten Eltern!
Ich denke, der größte Mythos von allen, der sich im Netz hartnäckig durchsetzt, ist der, dass Montessori uns zu "perfekten" Eltern machen könnte. Zu solchen, die immer alles richtig und fehlerfrei machen. Es stimmt schon, dass die Vorbereitete Umgebung oft so perfekt erscheint. Klar, denn je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist die Klarheit in ihrer unmittelbaren Umgebung. Und ja, auch die Materialien sind sehr ansprechend und durchdacht und viele von uns wünschten sich, ihre Kinder könnten durch diese die Welt mit Freude entdecken. Doch was Kinder weder brauchen, noch was Montessori uns je bieten könnte ist es, dass wir perfekte Eltern werden.
Was ich durch Montessori lernen konnte, war, Dinge völlig anders zu sehen. (Meine) Kinder mit anderen Augen zu sehen. Ihre Entwicklungsbedürfnisse besser zu verstehen und diesen daher anders zu begegnen. Ich lernte, dass Vorbild zu sein weit mehr ist, als "Danke" und "Bitte" zu sagen. Weil ich nicht nur darin ein Vorbild bin WAS ich tue, sondern vor allem darin, WIE ich BIN. Wie ich in der Welt lebe. Wie ich anderen Menschen aber auch mir selbst begegne. Ich lernte auch, Fehler mit anderen Augen zu sehen. Dass es okay ist, Fehler zu machen, denn diese gehören zum Lernprozess dazu. Dass es daher nicht darauf ankommt, Fehler zu vermeiden, sondern darauf, wie ich mit diesen umgehe - ob ich an diesen wachsen kann.
Und vor allem lernte ich, dass mich all meine Fehler, an denen ich wachsen kann, all meine Bedürfnisse, die ich mir zugestehe, dass all meine Zweifel, meine Sorgen, meine Dankbarkeit und Freude, die ich verantwortungsbewusst tragen kann, - dass meine Unvollkommenheit mich bereits zu einer ziemlich perfekten Mama machen.
Was ich durch Montessori lernen konnte, war, Dinge völlig anders zu sehen. (Meine) Kinder mit anderen Augen zu sehen. Ihre Entwicklungsbedürfnisse besser zu verstehen und diesen daher anders zu begegnen. Ich lernte, dass Vorbild zu sein weit mehr ist, als "Danke" und "Bitte" zu sagen. Weil ich nicht nur darin ein Vorbild bin WAS ich tue, sondern vor allem darin, WIE ich BIN. Wie ich in der Welt lebe. Wie ich anderen Menschen aber auch mir selbst begegne. Ich lernte auch, Fehler mit anderen Augen zu sehen. Dass es okay ist, Fehler zu machen, denn diese gehören zum Lernprozess dazu. Dass es daher nicht darauf ankommt, Fehler zu vermeiden, sondern darauf, wie ich mit diesen umgehe - ob ich an diesen wachsen kann.
Und vor allem lernte ich, dass mich all meine Fehler, an denen ich wachsen kann, all meine Bedürfnisse, die ich mir zugestehe, dass all meine Zweifel, meine Sorgen, meine Dankbarkeit und Freude, die ich verantwortungsbewusst tragen kann, - dass meine Unvollkommenheit mich bereits zu einer ziemlich perfekten Mama machen.
Montessori macht auch Kinder nicht zu "perfekten" Kindern!
Das Zimmer meiner 8 Jahren alten Tochter (die bei jeder Diskussion das letzte Wort haben muss) wird jeden Tag aufs neue verwüstet. Ihr kleiner Bruder (bald 3 Jahre alt) schreit sofort halslaut, wenn es ihm nicht gelingt, aus den Holzgleisen die Brücke für seinen Zug zu bauen. Und was die beiden betrifft, so streiten sie zurzeit unglaublich viel und laut. Und das, obwohl beide bisher ausschließlich Montessori-Einrichtungen besucht haben und auch wir zu Hause bemüht sind, Montessori zu "leben".
Während aber Julia in ihrem chaotischem Zimmer sitzt, verschlingt sie entweder spannende Bücher über griechische Sagen oder kreiert aus Ton winzige, unglaublich filigrane Figuren aus dem Kopf heraus. Und obwohl es sie momentan nicht besonders kümmert, wie ihr Zimmer aussieht, so gibt es dennoch keinen Tag, wo sie nicht ihre kleinen Blumen und Pflänzchen auf der Terrasse umsorgen würde. Bevor sich Jakob seiner Holzeisenbahn widmet, holt er seine Jogginghose und ein T-Shirt, zieht seinen Pyjama aus und seine Hose und Oberteil an. Ganz ohne Hilfe. Und auch wenn sich die beiden schon Minuten später gleich wieder laut zu streiten beginnen, fallen dabei sehr oft gewaltfreie Sätze wie "Ich mag es nicht, wenn Du mir etwas aus der Hand nimmst ohne zu fragen." oder "Ich will selber entscheiden. Es ist meine Arbeit!".
Sich für den Montessori-Weg zu entscheiden, in der der Hoffnung, die Kinder würden sich dadurch in immer ordentliche, debattierunwillige Kinder verwandeln, wird sehr wahrscheinlich zu einer bitteren Enttäuschung. Den Montessori-Weg zu gehen, bedeutet nicht, weniger Herausforderungen meistern zu müssen oder weniger Krisen durch zu stehen. Und schon gar nicht, dass Kinder dadurch perfekt(er) werden, (als sie ohnehin schon sind).
Aber es ist ein Weg, durch den wir unglaublich viel über die Entwicklungsbedürfnisse unserer Kinder und unglaublich viel über uns selbst als Eltern lernen können. Ein Weg, bei dem wir als Eltern sehr oft an unsere eigenen Grenzen kommen werden - aber dadurch auch lernen können, unsere eigenen Bedürfnisse zu sehen, zu akzeptieren und uns darin zu üben, diese gewaltfrei zu kommunizieren.
Es gibt in dieser (bei uns bereits seit 5 Wochen andauernden) Corona-Isolation keinen einzigen Tag, an dem ich nicht an meine eigenen Grenzen kommen würde. Wo ich mir nicht wünschte, bitte, bitte, nur für ein paar Stunden auf einer einsamen Insel zu sein. Aber es gibt ebenso keinen einzigen Tag, an dem ich nicht etwas positives dazulernen würde - kein Tag, an dem ich durch meine Kinder nicht daran erinnert werde, wie wichtig es ist, ihnen Authentizität, Toleranz, Dankbarkeit, aber auch den Umgang mit den eigenen Fehlern vorzuleben. Dass es okay ist, Fehler zu machen. Weil das nicht nur menschlich ist, sondern Teil des Lernprozesses. Und dass es wichtig ist, sich für diese Fehler auch bei den Kindern zu entschuldigen.
Dieses Zitat habe ich zwar schon Jahre zuvor in einem früheren Beitrag abgetippt, aber ich finde, gerade jetzt in dieser herausfordernden Zeit der Isolation tut es gut, sich immer wieder daran zu erinnern:
Warum Montessori unser Familienleben jenseits der Perfektion bereichert
Aber es ist ein Weg, durch den wir unglaublich viel über die Entwicklungsbedürfnisse unserer Kinder und unglaublich viel über uns selbst als Eltern lernen können. Ein Weg, bei dem wir als Eltern sehr oft an unsere eigenen Grenzen kommen werden - aber dadurch auch lernen können, unsere eigenen Bedürfnisse zu sehen, zu akzeptieren und uns darin zu üben, diese gewaltfrei zu kommunizieren.
Es gibt in dieser (bei uns bereits seit 5 Wochen andauernden) Corona-Isolation keinen einzigen Tag, an dem ich nicht an meine eigenen Grenzen kommen würde. Wo ich mir nicht wünschte, bitte, bitte, nur für ein paar Stunden auf einer einsamen Insel zu sein. Aber es gibt ebenso keinen einzigen Tag, an dem ich nicht etwas positives dazulernen würde - kein Tag, an dem ich durch meine Kinder nicht daran erinnert werde, wie wichtig es ist, ihnen Authentizität, Toleranz, Dankbarkeit, aber auch den Umgang mit den eigenen Fehlern vorzuleben. Dass es okay ist, Fehler zu machen. Weil das nicht nur menschlich ist, sondern Teil des Lernprozesses. Und dass es wichtig ist, sich für diese Fehler auch bei den Kindern zu entschuldigen.
Dieses Zitat habe ich zwar schon Jahre zuvor in einem früheren Beitrag abgetippt, aber ich finde, gerade jetzt in dieser herausfordernden Zeit der Isolation tut es gut, sich immer wieder daran zu erinnern:
"Elternsein hat nichts mit Perfektion zu tun. Perfektion ist gar nicht einmal das Ziel, nicht für uns, nicht für unsere Kinder. Gemeinsam lernen, um in einer unvollkommenen Welt gut zu leben, trotz oder gerade wegen unserer Unvollkommenheit einander zu lieben, und als Mensch zu wachsen, während unsere kleinen Menschen heranwachsen, das sind die Ziele einer einfühlsamen Erziehung. Frage Dich also am Ende eines Tages nicht, ob Du alles richtig gemacht hast. Frage Dich, was Du dabei gelernt hast und WIE SEHR DU GELIEBT HAST, und dann wachse mit der Antwort." (L. R. Knost)
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