02.11.2013

Der "Montessori-Firlefanz"


Also mal ehrlich, wozu soll dieser ganze "Montessori-Firlefanz" denn gut sein? Wozu sollen diese Anziehrahmen denn nun wirklich dienen? Und was soll das mit diesem Rosa Turm? Ist er jetzt wirklich sooooooo toll? Und muss er wirklich rosa sein? Und diese Körbchen auf dem Spielregal. Und der Spielteppich. Muss das sein? Diese präzise Anordnung von Gegenständen und klare Strukturierung der Dinge bei Kleinkindern. Ist das wirklich notwendig und gesund? Das alles ist doch so wissenschaftlich, so "übertrieben". Aber unser Leben mit unseren Kindern ist doch keine Wissenschaft! Wir Mütter bzw. Eltern sind ja schließlich sowieso meist von Instinkten und Gefühlen geleitet! Und das ist auch gut so!

Stimmt. Das Leben ist geprägt von Gefühlen, wohlbemerkt auch die Montessori-Methode. Andererseits ist es ein großer Vorteil, sowohl für das Kind als auch für uns Eltern zu wissen, was da in diesem winzigen Köpfchen wann passiert. So können wir verstehen, warum das Kind weint, warum es etwas unter dem Teppich versteckt, warum es so gerne mit Wasser spielt oder warum es so zu jammer anfängt, obwohl es doch so viele schöne Spielsachen hat. Und darauf eben konstruktiv reagieren.

In der Methode Montessoris geht es daher um weit mehr als um rosarote Bauklötze und nette Körbchen auf dem Regal. Es geht um Wissen über das Kind. Wissen, wie sich seine Entwicklung vollzieht. Nicht nur die Kognitive,  auch seine Gefühlswelt, versteht sich. Dass es zum Beispiel in den ersten 3 Jahren alles absorbiert (d.h. in sich aufsaugt wie ein Schwamm) was es sieht, hört und fühlt ohne dabei zu selektieren. Und dass es die Welt gerade entdeckt und uns in Allem nachmacht, was wir tun und sagen und wir daher ganz genau überlegen sollten, wie und was wir tun und sagen. Dass es noch lernt alles in seinem Kopf richtig zu ordnen. Ich hätte all dies noch vor einem Jahr gar nicht gewusst, hätte ich mich nicht damit beschäftigt. Ja, es ist das Wissen darüber, wie wir Menschen funktionieren. Und dieses Wissen wurde nicht nur von Montessori erforscht, auch viele andere Wissenschaftler und Didaktiker haben ihr ganzes Leben damit verbracht zu beobachten, wie das Kind denkt, was es wirklich braucht und wie es sich entwickelt. Das mag auf der Zunge etwas blumig zergehen, aber letztendlich hat uns ja erst das Denken und Nachdenken dorthin gebracht, wo wir jetzt sind.

Die, die all diese kleinen Geheimnisse der menschlichen Entwicklung so genau untersucht haben, haben Jahre, ja oft ein ganzes Leben lang dazu gebraucht. Um all das zu verstehen reicht es nicht aus, ein paar Zeilen darüber zu lesen um sich dann gleich eine Meinung darüber zu bilden. Es reicht nicht aus, diesen oder irgendeinen Blog, einen Artikel oder ein Buch zu lesen. Ich beschäftige mich nun mit der Montessori-Pädagogik seit etwas mehr als einem Jahr und dennoch habe ich noch vieles nicht verstanden und komme nach jedem neugelesenen Buch ins Staunen. Nicht umsonst dauert eine Ausbildung mehrere Jahre. Es bedarf Wissen und Erfahrung und daher Zeit um all die Zusammenhänge zu verstehen.

Und auch die Montessori-Materialien entstanden nicht um eine neue Modelinie einzuführen oder damit große Konzerne noch reicher zu machen. Die Materialien sowie die Methode sind das Resultat einer lebenslangen Forschung und Beobachtung des Kindes. Was auf den ersten Blick übertrieben und unnötig erscheint ist ein gründlich überdachtes Mittel um das Kind in seiner Entwicklung zu unterstützen. Sollte diese Methode es sein, dass man das Kind einfach tun lässt und sich kein bisschen in seine Tätigkeit einmischt, so ist dies dennoch die Erkenntnis einer Frau, welche es zu ihrer Lebensaufgabe machte, die Kinder zu verstehen um dann dieses Wissen an uns zu vererben.

Ich ernte gelegentlich fragende Blicke oder kritische Äußerungen, die diese Lehre hinterfragen. Und ich verstehe das nur zu gut. Denn wie kann man sein Leben nach einem Konzept leben? Es ist auch unmöglich mit einem oder 3-4 Beiträgen euch wirklich näher zu bringen, was dies hier eigentlich soll, dieser "Montessori-Firlefanz". Und ich sage euch, letztendlich gibt es DIE eine wahre Montessori-Lehre auch nicht. Denn wir sind alle unterschiedlich. Wie wir Eltern so auch unsere Kinder. Man kann auch keinem Kind "wissenschaftlich" begegnen. Nein. Aber sehr wohl verstehen und respektieren lernen. 

Und wenn ihr euch doch noch mehr mit dieser Methode auseinandersetzt, mehr darüber lest, werdet ihr merken, dass Montessori nichts anderes gemacht hat: Sie wusste, dass die Freude am Lernen der Schlüssel zur gesunden Entwicklung ist. Sie hat das Kind respektiert, verstanden und es die Freiheit gelassen sich zu entfalten. Sie hat gewusst, was viele heute noch nicht verstehen: Das Kinder unsere Hoffnung, unsere Zukunft sind.

5 Kommentare

  1. Das hast du so schön geschrieben. Vielen sind aber Kinder von Pädagogen generell suspekt, da kommen dann Sprüche wie "Pädagogenkinder sind eh die schlimmsten." Ja, Schublade auf, Kind rein.

    Wenn ich meiner Verwandtschaft meine Wünsche mein Kind betreffend mitteile sind die Reaktionen sehr unterschiedlich. Meine Eltern reagieren sehr offen und aufgeschlossen, sind interessiert und unterstützen uns. Die Schwiegerfamilie kommt generell mit einem "aber" (sei es das Stillen, das Tragen, Montessori oder Beikost betreffend), was ich sehr schade finde.

    Ich möchte, dass er "angelehnt an Montessori" aufwächst. Mal schauen, was ich mir später rauspicken werde, noch habe ich etwas Zeit. BLW und Montessori z.B. widerspricht sich etwas, ich möchte es aber mit BLW probieren.

    Der Stellenwert von Kindheit und Erziehung hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Teilweise von einem Extrem ins nächste, vom mitziehen müssen zum Förderwahnsinn.
    Montessori sitzt da einfach schön in der Mitte, es lehrt Lebenspraxis und überfordert nicht.

    Liebe Grüße aus Köln
    Missy

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  2. Das hast du sehr schön geschrieben :-)

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  3. Ich lese hier schon seit einiger Zeit mit und bewundere immer wieder, welch tiefgründige Gedanken hier geäußert werden. Vor drei Jahren hätte ich sie wahrscheinlich nicht in ihrer wahren Tiefe verstanden, da ich bis dahin zwar den Namen Montessori kannte, aber kaum etwas über ihre Forschung und ihre Pädagogik wusste.
    Nun werde ich in 4 Wochen (hoffentlich) mein Diplom erhalten und bin ein wenig traurig, dass ich mich nicht viel eher mit Montessori-Pädagogik beschäftigt habe. Meine Kinder sind leider schon groß und kamen also nicht in den Genuss meiner gewonnenen Einsichten. Genieße es, dein Kind auf seinem Weg zu begleiten. So wie du es tust, scheint es mir ein wunderbarer Weg für deine Tochter zu sein.

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  4. "Und ich sage euch, letztendlich gibt es DIE eine wahre Montessori-Lehre auch nicht. Denn wir sind alle unterschiedlich. Wie wir Eltern so auch unsere Kinder."

    DAS ist wirklich wirklich so wahr. Viele vergessen oft, dass unsere Kinder auch alle verschieden und jedes eine eigene kleine Person und Persönlichkeit ist. Und Maria Montessori verharrte auch nicht von Anfang bis zum Ende auf einer starren Linie, wie du sagst, sie hat immer beobachtet und so auch ihre Einsichten immer mal neu gemacht oder geändert. Weil sie sich an den Kindern orientierte und versuchte herauszufinden, was DIESES Kind jetzt in DEM MOMENT braucht. Das macht sie so sympathisch und ich freue mich, dass du das hier so gut formulieren kannst, ich kann das nämlich nie wenn einer zu mir sagt "Ah, Montessori, das ist ja das mit dem laissez-faire" oder "Ah, Montessori, das ist ja dieses Waldorf". Da weiß ich dann im Moment nie, was ich sagen soll.

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  5. Hallo!
    Danke, für deinen tollen blog und deine wunderbaren Gedanken dazu.

    Ich bin Mutter von vier Kindern. Zwei Jung im alter von 12 und 9, ein Mädchen 5 und einen jungen der nun 15 Monate alt ist.
    Unser Motto ist, dass wir mit den Kindern wachsen.

    Als Pikler Pädagogin greife ich viele Aspekte von Montessori bei uns zu Hause auf.
    Beruflich werde ich nach der Eltern zeit auch vieles mitnehmen. Danke

    Ich finde du machst das ganz wunderbar und der firlefanz ist nötig, wenn man verstehtbworum es geht.
    Das wichtig ist und bleibt aber die Achtsamkeit und im hier und jetzt mit dem Kind zu sein.

    Ich liebe den Freiburger Verein" mit Kindern wachsen" dazu.

    In diesem sinne lieben Gruss

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