Als meine Tochter noch im Kindergartenalter war und wir ihr Zimmer nach Montessori einrichteten, dabei ihre Spielsachen stark reduzierten und diese wenigen Sachen geordnet auf ihr Regal stellten, warern wir erstaunt, wie diese vorbereitete Umgebung auf sie wirkte: sie räumte ihre Spielsachen selbstständig wieder auf ihren Platz zurück. Und wenn sie mal doch mehrere Sachen bespielte und dabei ein kleines Chaos entstand, räumten wir mit ihr gemeinsam das Zimmer auf und das klappte einfach super!
Nun, jetzt ist sie bereits 10 Jahre alt und geändert hat sich... nicht viel. Lediglich sind die Sachen in ihrem Zimmer mehr geworden, das Chaos öfters größer und die Hilfe, die sie braucht, um wieder aufzuräumen, eine, etwas anderer Art. Denn eines muss man von Schulkindern wissen: Sie haben ein großes Bedürfnis nach Ordnung! Einerseits nach der Ordnung der Welt. Sie wollen verstehen, wie alles zusammenhängt, wie Berufe, Naturgewalten, physikalische Phänomene funktionieren. Aber auch, wenn sie scheinbar unbeeindruckt von dem Chaos sind, was in ihrem Zimmer herrscht, haben sie dennoch auch ein großes Bedürfnis nach der unmittelbaren Ordnung - nur "keine" Zeit, sich um diese zu kümmern.
Bei diesem enormen Forschungsdrang wird so eine Aufgabe, wie das Zimmer aufzuräumen, eben langweilig und verliert an Reiz. Und wenn das Chaos mal etwas größer geworden ist, ist unsere Tochter beim Ordnung schaffen heute mehr denn je überfordert. Das beobachte ich übrigens auch bei den Schulkindern in unserer Schule: Wenn nach einem Projekt ein zu großes Chaos entsteht, verlieren sie schlagartig ihre Motivation, wenn es darum geht, wieder aufzuräumen.
Klar helfen wir dann den Kindern in der Schule und auch als Eltern unserer Tochter zu Hause, das Zimmer wieder aufzuräumen. Aber nicht mehr ganz so, wie damals, als sie noch ein Kindergartenkind war, indem wir abwechselnd die Bausteine in die Kiste legten, sondern vor allem durch verbales, beständiges gleichzeitig positives MANAGEMENT!
Kränkende Bemerkungen, wie groß das Chaos wieder ist, "sie sollte das endlich schaffen aufzuräumen", sie sei eine Chaotin oder "hey, das ist noch immer unsere Wohnung", sind nicht hilfreich. Im Gegenteil! Sie macht schließlich nicht deswegen so ein Chaos, um uns zu ärgern, sondern weil sie überfordert ist, Ordnung zu schaffen oder beizubehalten. Was sie also braucht, ist, dass wir sie immer wieder managen und sie dabei daran erinnern, was sie benötigt, wie sie ihre Zeit einteilt, wie sie ihre Arbeit oder ihr Vorhaben besser strukturieren kann: "Weißt Du, was Du alles für Dein nächstes Projekt brauchst? Hast Du genug Papier und Klebstoff?" - "Wo könntest Du gut arbeiten? Wo ist genug Platz dafür?" - "Denk daran, zuerst alle Utensilien auf den Tisch zu legen, bevor Du beginnst!" - "Wie viel Zeit planst Du heute für Dein Projekt/für Deine Aufgaben?" - "Denk daran, was Du alles für den Ausflug brauchst! Was könntest Du Dir einpacken?" - "Morgen hast Du Turnunterricht. Bitte denk daran, Deine Sachen einzupacken. Was brauchst Du? Wann räumst Du diese in den Rucksack?"
Dieses Managen macht gut 60% meiner Aufgabe als Klassenleiterin in der Schule aus. Bevor sie mit einer Arbeit beginnen, erinnere ich die Kinder in der Schule an jeden wichtigen Punkt: Stifte vorher spitzen, nötige Unterlagen holen, passendes Papier aussuchen, Schürze anziehen, im Heft Überschrift und Datum schreiben und dann noch einmal beim Wegräumen die Pinsel auswaschen, Kittel wieder wegräumen, Unterlagen zurücklegen usw.
Zu Hause als Mama macht dieses Management unseres Schulkindes sogar mehr als 60% aus. Denn egal ob vor dem Training, vor einem neuen Schultag oder vor einem Freibadbesuch mit der Freundin, wir gehen in Gedanken mit unserer Tochter Schritt für Schritt durch, was sie alles dazu brauchen wird, wie viel Zeit sie dafür einplant und woran sie jetzt schon denken könnte. Und manchmal hat sie sich bereits selbstständig eine Checkliste erstellt und ist dann so stolz, wenn sie dann alles für sich organisieren konnte!
Was ihr Zimmer betrifft (damit auch das Managen klappt), hat auch jetzt alles einen festen Platz: Filzstifte, Klebstoff, Nähmaterial, Perlen, Mikroskop und Lego, Spielfiguren und Puppenhauszubehör... sogar ihre fertigen Projekte bekommen einen eigenen Platz im Raum: entweder an der Wand oder in einer Sammelmappe, wenn es Zeichnungen oder Collagen sind, oder auf einem Regal. In ihrer "Schatztruhe", eine wunderschön geschnitzte Holzkiste, sammelt sie all die kleinen Dinge, die sie mal gefunden hat, kleine Mitbringsel oder Erinnerungsstücke: Ihre Schätze eben.
Was wir neben Management unserer Tochter noch machen: ihr Zimmer zweimal im Jahr komplett ausmisten. Mit ihr gemeinsam, versteht sich. Dabei sortieren wir alles aus, was sie nicht mehr braucht und schauen gemeinsam, ob wir Dinge anders strukturieren sollten, weil sie nicht mehr praktisch sind. Auch ihr Kleiderschrank wird dann 2x im Jahr mit ihr gemeinsam aussortiert und Kleidung, aus der sie rausgewachsen ist, weitergeschenkt.
Auf jeden Fall hilft dieses Managment Julia sehr bei ihren Arbeiten, bei ihren Vorhaben und ihren Plänen, Struktur reinzubringen und Überblick zu bekommen, die Verantwortung zu übernehmen - und immer mehr, auch in ihrem Zimmer eigenständig Ordnung zu machen.
Ach ja, am 5. November 2022 halte ich einen Online-Workshop, initiiert vom AMI Montessori Ausbildungszentrum in der Schweiz, über Schulkinder und wie sie zu Hause von uns Eltern besser verstanden und begleitet werden können. Wie gesagt, der Workshop ist online (diesmal schaffe ich es leider nicht, in die Schweiz zu reisen), so könnt Ihr von überall teilnehmen. Für mehr Infos und um Euch anzumelden, einfach hier klicken! Ich freue mich auf Euch!
Liebe Anna
AntwortenLöschenVielen Dank für den wundervollen Beitrag. Wir erleben es auch: Je älter unsere Kinder werden, je mehr verschiebt sich unsere Aufgabe in Richtung „Management“. Hilfe zur Selbsthilfe: Was brauch ich noch? Was ist mir wichtig? Wie kann ich praktisch verräumen? Bei unseren 4 Kindern helfen auch immer öfter die Großen den Kleineren. Sie kommen gemeinsam oft auf viel bessere Ideen als wir Eltern. Gleichzeitig profitieren beide davon: Die Größeren schärfen ihre Managment-Fähigkeiten. Die Kleineren Lernen von den Großen.
Danke für den Impuls, dieses „Managen“ mit den Kindern bewusst im Alltag zu praktizieren. Vor dem Besuch im Schwimmbad, vor dem Wochenende bei der Freundin. So trainieren die Kinder Eigenständigkeit, und können Stück für Stück selbst mehr Verantwortung für sich übernehmen. Einfach wunderbar!
Monika & Thomas
Darf ich fragen was das für tolle Stifte im Körbchen sind?
AntwortenLöschenDarf ich fragen, wo Sie die wunderschöne Holztruhe gekauft haben ?Meine Tochter wird 9 und wir wollen ihr Zimmer neu gestalten. LG
AntwortenLöschenHallo, darf ich fragen, woher das tolle Bücherregal mit den quadratischen Fächern ist? Danke!
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