Elternschaft


Als meine Tochter noch im Kindergartenalter war und wir ihr Zimmer nach Montessori einrichteten, dabei ihre Spielsachen stark reduzierten und diese wenigen Sachen geordnet auf ihr Regal stellten, warern wir erstaunt, wie diese vorbereitete Umgebung auf sie wirkte: sie räumte ihre Spielsachen selbstständig wieder auf ihren Platz zurück. Und wenn sie mal doch mehrere Sachen bespielte und dabei ein kleines Chaos entstand, räumten wir mit ihr gemeinsam das Zimmer auf und das klappte einfach super!


Ich hoffe, Ihr habt einen wunderschönen Start in den Mai - und damit auch in den Frühling! Seit meinem letzten Blogbeitrag ist ziemlich genau ein Jahr vergangen. Puh! Eine lange Zeit, ich weiß. Um so mehr bin ich für Eure Lesetreue dankbar!

Werbung
 

Seit vielen Monaten ist es hier ganz still. Nicht, dass ich das Schreiben nicht vermisst hätte, diese kleine Blogpause habe ich dennoch dringend gebraucht. Ich merkte, dass ich mich von zu vielen Dingen ablenken ließ, also beschloss ich, ein paar Schritte nach hinten zu gehen um mir wieder einen Überblick zu verschaffen. Und es fühlte sich richtig gut an!


Seit 5 Wochen sitzen wir mittlerweile wegen Corona zu Hause in der Isolation fest. Das heißt, die Kinder und ich, denn mein Ehemann muss nach wie vor in die Arbeit fahren. Tagsüber bin ich also alleine mit den Kindern und versuche, neben dem ganz gewöhnlichen Haushalt, meinem Schulkind Darbietungen zu geben, oder es zu managen, damit es gut alleine arbeiten kann, während ich seinem kleinen Bruder mit möglichst sinnvollen Aufgaben bei Laune zu halten versuche. Und wenn ich dann noch eine halbe Stunde am Tag finde, wo es im Haus tatsächlich etwas ruhiger ist, setze ich mich zum Laptop, um meine Eltern-Webinars zu planen und hier meine Gedanken abzutippen. Randnotiz: Diesen Beitrag habe ich vor gut einer Woche angefangen zu schreiben. So viel zum Thema ruhigere Minuten im Haus...
Aufgrund der Datenschutzgrundverordnung, kennzeichne ich diesen Beitrag mit Werbung

Ich denke, um Montessori besser zu verstehen, kann ein Besuch in qualifizierten Einrichtungen eine große Bereicherung sein. Sowie auch das Lesen von wirklich guten Büchern!

Ich weiß, nicht jeder hat die Möglichkeit, in einer qualifizierten Einrichtung zu hospitieren, aber was gute Bücher betrifft, habe ich hier meine Top 10 zusammengesucht, die einerseits den Einstieg in die Montessori-Philsophie erleichtern und zweitens auch helfen, diese bestimmte Haltung jedermann näher zu bringen. Und weil ich weiß, dass es nicht immer so einfach ist, im Alltag Zeit zum Lesen zu finden, habe ich auch die Hörbuch-Versionen ausfindig gemacht, weil mir wirklich viel daran liegt, euch diese Bücher ans Herz zu legen.

  • Montessori von Anfang an* von Paula Polk Lillard und Lynn Lillard Jessen ist ein Buch, das ich bei meinen Buchempfehlungen für Eltern nie auslasse. Es hilft nicht nur zu verstehen, welche Entwicklungsbedürfnisse Kinder in ihren ersten Lebensjahren haben, sondern bringt auch diese "montessorische Haltung" dem Leser näher. Das Buch gibt es auch als Hörbuch auf Englisch* (und ich persönlich finde, dass der Text auf Englisch etwas leichter zu verdauen ist).
  • Was auf meiner Top 10 Liste nicht fehlen darf: Maria Montessori - Leben und Werk von E. Mortimer Standing. Der Autor war ein Zeitgenosse und pädagogischer Wegbegleiter Maria Montessoris und stand mit ihr mehr als ein Vierteljahrhundert hindurch in engem Kontakt. Standings Buch beruht auf Zitaten, Quellen sowie auf seinen einigen Erinnerungen und beschreibt diese Pädagogik mit seinen eigenen Worten unglaublich treffend und verständlich.
  • Ein wunderbares Buch ist auch Das Kind in der Familie* von Maria Montessori selbst. Es legt den Schwerpunkt auf die ersten 6 Lebensjahre von Kindern und ist, wie schon der Titel verrät, nicht nur an Pädagogen gerichtet, sondern ebenso an Eltern. Was ich an den Büchern von Montessori so praktisch finde, ist, dass sie sich auch kapitelweise aufschlagen lassen.
  • Auch Simone Davies Buch The Montessori Toddler* gehört zu meiner Liste. Neben praktischen Tipps für zu Hause erzählt Simone mit unglaublich viel Fachwissen und Liebe über Kleinkinder. Eine ganz besondere Ehre war für mich, für Simones Buch mit einigen meiner Fotos beitragen zu dürfen. Das Buch gibt es zurzeit nur auf Englisch, aber ich hoffe, auf eine Deutsche Übersetzung müssen wir nicht mehr allzu lange warten.
  • Dieses Buch, Gewaltfreie Kommunikation* von Marshall B. Rosenberg hat vieles in meinem Leben verändert. Aber ganz besonders die Art, wie ich mit anderen Menschen (vor allem aber mit meinen Kindern) achtsamer kommunizieren kann. Ich gestehe, es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, wo der Knoten bei mir war, aber als ich es endlich verstanden habe, war das so eine Erleichterung und Bereicherung im Alltag! Für alle, die lieber zuhören als lesen: Gewaltfreie Kommunikation gibt es auch als ein Hörbuch*!
  • Und nicht zuletzt: Von der Erziehung zur Einfühlung - wie Eltern und Kinder gemeinsam wachsen können* von Naomi Aldort. Auch dieses Buch ist kein Montessori-Buch, jedoch beschreibt es eine Haltung, die der von Montessori ganz nahe kommt. Mit viel Respekt und Liebe Kindern gegenüber, wo aber die eigene Grenzen und die einer Gemeinschaft genauso wichtig sind. Das Buch gibt es leider nicht als Hörbuch, allerdings ein anderes, sehr lesens- und hörenswertes Buch von der gleichen Autorin: Peaceful Parenting*.

* mit Sternchen markierte Links sind Affiliate. Das bedeutet, dass ich eine Provision erhalte, wenn Du das Produkt über diesen Link erwirbst, für Dich entstehen dabei jedoch keine höheren Kosten.
Gemäß der Datenschutzverordnung kennzeichne ich diesen Beitrag mit WERBUNG

Wenn ich auf dieses Jahr zurückblicke, so war Zeit für mich etwas, womit ich ganz oft haderte. So oft hatte ich mit zwei Kindern zu Hause das Gefühl, als würde mir die Zeit in Windeseile davonfliegen und gleichzeitig wünschte ich mir so oft einfach nur mehr Zeit für mich selbst zu haben. Neben dem Homeschooling von Julia und ihrem kleinen, 20 Monate alten Bruder, der im Alltag noch viel  Begleitung braucht, kam ich leider nicht so oft zum Bloggen und zur Umsetzung meiner Ideen, wie ich es mir vorgenommen habe.

Ja, es war ein Jahr voller Herausforderungen und manchmal fragte ich mich, ob ich mir nicht allzu viel vorgenommen hatte, aber wenn ich nun auf dieses Jahr zurückblicke, empfinde ich dennoch tiefste Dankbarkeit. Dafür, meinen Kindern so viel Zeit schenken zu dürfen, Julia zu Hause unterrichten zu können und einen Ehemann an meiner Seite zu haben, der mich dabei voll und ganz unterstützt und all das überhaupt möglich macht. 

Für das kommende Jahr habe ich mir dennoch vorgenommen, mir selbst etwas mehr Zeit zu verschaffen um meine Ideen endlich zu verwirklichen und auch mehr zu bloggen. Ich verabschiede mich nun vom Jahr 2018 mit den 10 meistgelesensten Beiträgen und bedanke mich bei Euch für all die unglaublich vielen und lieben Nachrichten und Kommentare hier, auf Instagram, auf Facebook und via E-Mails! Ich wünsche Euch von Herzen ein glückliches, gesundes und gleichzeitig spannendes und buntes neues Jahr 2019!


Ende dieser Woche fahren wir in unseren ersten Urlaub zu viert. Julia ist natürlich schon sehr aufgeregt und erzählt allen, dass sie ans Meer fährt. Bis dahin heißt es allerdings, Wäsche sortieren und Koffer packen. Als ich Julia vorschlug, ihren Reisekoffer diesmal selbst zu packen, sagte sie ohne zu zögern und strahlend "Ja!".


Ich erstellte ihr eine Liste mit kleinen Abbildungen von Klamotten und Gegenständen für den Urlaub und schlug ihr vor, diese Liste erstmal durchzugehen. Sie überlegte und beschloss alles anzumalen, was sie von diesen Sachen brauchen wird, was sie anziehen soll, wenn es mal regnet, wir in ein Restaurant gehen oder in die Stadt fahren zum Bummeln. Was sie nicht wichtig fand, strich sie einfach durch.


Sie fing an nachzuzählen, wie viel sie von den bunt angemalten Sachen jeweils brauchen wird und nahm dazu als Hilfe ihre Finger. Sie zählte 4 Röcke, 2 Paar Socken und 6 Badeanzüge. Um auf Nummer sicher zu gehen, zählte sie noch einmal nach, ob sie wirklich so viele hatte.


Ich lies auch ein wenig Platz für weitere Ideen, die ihr vielleicht einfielen und die sie gerne noch hinzuzeichnen oder hinzuschreiben möchte. Sie zeichnete tatsächlich noch eine Jacke mit Kapuze hin und auch einige Spielsachen und Buntstifte. Zu den Sachen, die sie durchgestrichen hatte, schrieb sie eine Null, die restlichen Zahlen notierte sie mit einem Malzeichen. Sie schrieb die Zahlen, außer de 4, spiegelverkehrt auf, aber ich sagte kein Wort. Ich wollte sie weder bei der Arbeit stören, noch ihr die Freude daran nehmen. Sie wird noch oft genug die Zahlen sehen und schreiben können und irgendwann den Dreh heraushaben.


Sie betrachtete noch einmal ihre fertige Liste und verschwand dann damit in ihrem Zimmer. Wenige Minuten später kam sie wieder mit einigen Klamotten in der Hand und stapelte diese auf der Couch. Dann schaute sie wieder auf ihre Liste und verschwand erneut.


Klamotten, die sie vom Kleiderhaken nahm, waren natürlich noch nicht zusammengefaltet, also machte sie diese auf dem Fußboden breit und faltete. Ich wollte sie dabei nicht stören und ihr auch nicht das Gefühl geben, als traute ich ihr diese Aufgabe nicht zu, also ging ich in die Küche um zu "kochen" und beobachtete sie aus der Entfernung.


Sie ging nicht der Reihe nach, kam dennoch gut zurecht. Sie überlegte, welche T-Shirts und Kleider sie wirklich mitnehmen wollte und hielt sich dabei an die Mengenangaben auf ihrer Liste.



Dann nahm sie die Stapel und stopfte diese, so wie sie waren, in ihren kleinen Koffer. Einige Socken steckte sie in die Vordertasche, andere, die dort keinen Platz hatten, sowie den IPod, den ich ihr ausgeborgt habe, steckte sie in die Seitentaschen.


Sie hatte viel Mühe, alles, was auf der Couch gestapelt lag, in ihrer Reisetasche unter zu bringen. Überall wo noch ein wenig Platz war, verteilte sie ihre Sachen, bis wirklich alles in der Tasche verschwand. Und als sie endlich fertig war, sagte sie freudig "Fertig!" und hob den recht schweren Koffer in die Höhe, damit ich ihn aus der Küche gut sehen konnte und mich mit ihr freute. Aber vielleicht hob sie diesen auch, um es noch deutlicher zu spüren, welche große Aufgabe sie gemeistert hatte.

Für mich bedeutet Montessori genau das. Sie zur Selbstständigkeit zu verhelfen und ihr so oft wie möglich Entscheidungen zu überlassen. Ihr Aufgaben zutrauen, bei welchen sie Verantwortung für sich, für andere und für ihre Umgebung tragen kann - an denen sie wachsen kann. Egal, was der Alltag bietet.


Über diese Frage habe ich in den letzten Tagen öfters nachgedacht. Einerseits, weil mich eine Freundin genau mit dieser Frage konfrontierte, aber auch, weil diese Frage mich am Anfang unseres Montessori-Weges selbst verunsicherte. Und je mehr ich jetzt darüber nachdenke, umso mehr komme ich für mich zu folgenden Antworten: Ja, es gibt ihn und nein, es gibt ihn nicht.

In den Montessori-Einrichtungen gibt es ein klares Konzept. Dazu gehören die Altersmischung der Kinder, die Vorbereitete Umgebung samt den genialen Materialien aber auch die ausgebildeten Pädagogen, die den Kindern zeigen, was diese Materialien können. So, dass Kinder mit Begeisterung, konzentriert und selbstständig arbeiten können, jedoch ohne ihnen die Möglichkeit zu nehmen, eigene Entdeckungen zu machen. Nicht ohne Grund bestand Maria Montessori selbst auf eine Ausbildung, wenn es um diese Entwicklungsmaterialien ging.


Für Zuhause gibt es keine "Methode", keinen "Plan" und auch Eltern brauchen keine Ausbildung, um Montessori zu Hause zu leben. Jede Familie ist anders und hat andere Ressourcen, daher wird auch die Vorbereitete Umgebung von Familie zu Familie unterschiedlich sein. Vielleicht gibt es Familien, die nur ein Bodenbett haben, andere wiederum nur ein übersichtliches Spielregal. Und vielleicht gibt es Familien, die nichts davon haben, aber die die Kinder im Haushalt sehr aktiv miteinbeziehen. Aber zu Hause geht es eigentlich auch nicht (nur) um das Angebot und die hübsch vorbereiteten Spielregale. Was Montessori in der Familie wirklich ausmacht, ist die Haltung.


Es ist diese bedingungslose Liebe zum Kind, die seine Entwicklung beobachtet und versteht, es ermutigt und ihm hilft, sein Leben selbstständig zu meistern. Es ist das Vertrauen, dass es sich auf natürliche Weise entwickelt, dass es einem inneren Bauplan folgt, welcher ihm sagt, wohin die Reise geht.

Es ist aber auch die wertschätzende Art, einander in der Familie zu begegnen. Die Bereitschaft offen, ehrlich, respektvoll und vor allem gewaltfrei miteinander und mit sich selbst umzugehen. Es ist eine Art, die Welt zu sehen und darin zu leben. Mit Kindern gemeinsam die Welt entdecken und bewundern und so die Schönheit, die in Kindern steckt, aufblühen zu lassen. Es bedeutet, sich trauen Fehler zu machen und bereit zu sein, aus diesen zu lernen. Es bedeutet, mit und für die Kinder einen friedlicheren Ort aus dieser Welt zu schaffen. Das hat ganz bestimmt nicht nur in den Einrichtungen Platz und kann auch durch kein Material und kein Spielregal ersetzt werden.

Ich weiß, dass nicht alle Familien alles umsetzen können, was die Vorbereitete Umgebung betrifft. Aber ich denke, das ist auch nicht wirklich wichtig. Ich verstehe "Montessori" vielmehr als etwas, was ich tagtäglich tue. Ein Verb das weit mehr ist, als Spielideen und Spielregale und das nur gelebt werden kann.

Vielleicht gibt es so gesehen doch DEN Montessori-Weg...


Neulich verbrachte Julia einige Tage bei ihren Großeltern am Land. Sie liebt es, dort zu sein, denn für sie ist es wie Urlaub, wo sie rund um die Uhr verwöhnt wird. Bei Oma und Opa gibt es kein Spielregal und auch die Spielsachen sind wesentlich anders als hier Zuhause. Zudem werden ihr dort am Tag 5-6 Bücher vorgelesen (nicht wie Zuhause, wo wir für mehr als 3 Bücher am Tag einfach selten Zeit haben) und sie bekommt Lob in Hülle und Fülle. Bei den Großeltern ist es eben anders als Zuhause. Aber das ist okay. 

Als die Großfamilie von unserem Montessori-Weg erfuhr, war sie sehr skeptisch, so dass es recht schwer war, darüber zu reden. Es war für sie nicht nachvollziehbar, warum wir beschlossen, auf das Lob zu verzichten und warum wir Julia so gut wie nie den Fernseher einschalten. Seitdem sind viele Jahre vergangen und da Julias unglaubliche Lebensfreude, ihre Selbstständigkeit und ihr ganzes Wesen für sich sprechen, werden all diese Themen in der Familie nicht mehr in Frage gestellt. Sie wird zwar von Oma und Opa oft gelobt, kommt dort manchmal um einiges später ins Bett und bekommt auch mehr Süßigkeiten, als Zuhause, aber sie hat liebende Großeltern, was mir so viel wichtiger ist.

Was Julia selbst betrifft, so machte ich mir früher Sorgen, dass es sie verwirren würde, wenn sie unterschiedlichen Umgang innerhalb der Familie erfährt. Als sie jünger war, merkte ich tatsächlich, dass sie 1-2 Tage gebraucht hat, um Zuhause wieder in die Routine zu finden. Heute mache ich mir keine Sorgen mehr, denn ich sehe, je älter sie wird, umso besser kann sie damit umgehen. Außerdem verstehe ich jetzt auch, wie wertvoll eine gute Beziehung zwischen uns Eltern und ihr ist, denn umso leichter können wir sie loslassen. Und es ist für sie doch eine Bereicherung, auch etwas anderes erfahren zu dürfen, zu anderen Menschen in der Familie eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen zu können.

Seit ich mich unter tragischen Umständen von meiner wunderbaren Mama verabschieden musste, sehe ich das ganze sowieso ganz anders und bin letztendlich unglaublich dankbar dafür, dass meine Kinder überhaupt noch Großeltern haben. Vor allem solche, die sie so sehr lieben.

Manchmal läuft der Familienalltag so richtig unrund. An solchen Tagen hilft es mir immer wieder, wenn ich versuche, meinen Blickwinkel zu ändern und es aus den Augen meiner Tochter zu sehen. Was denkt sie? Was würde sie zu mir sagen, wenn sie ihre Bedürfnisse in Worte fassen könnte?

Lass mich Dein Verbündeter sein. Es verletzt mich, wenn Du mich mit Tricks, mit Bestechungen, mit Drohungen oder Bestrafungen zu etwas zwingen willst, was ich eigentlich gar nicht machen mag. Wenn Du gegen mich bist, wenn wir ständig streiten, ist es für mich sehr beängstigend. Ich brauche Dich ja doch so dringend an meiner Seite! Sage es mir doch stattdessen höflich oder zeige mir einfach, was Du von mir willst. Und hindere mich freundlich aber bestimmt, Sachen zu tun, die Du nicht willst, dass ich sie tue, noch bevor Du wütend auf mich wirst. Wenn Du geduldig und respektvoll bleibst und mich auch mal meine Sachen in Ruhe fertig machen lässt, wirst Du sehen, werde ich danach richtig strahlen. 

Habe keine Angst vor meinen Reaktionen und lass mich auch Grenzen spüren. Wenn Du unsicher wirst, Du, den ich am meisten brauche, wie soll ich mich dann sicher fühlen? Es ist ganz schlimm für mich, wenn Du ängstlich bist, wenn Du zögerst oder ausweichende Antworten gibst. Ich weiß, meine Wutanfälle sind auch nicht gerade angenehm, aber auch wenn ich tobe oder frustriert und verärgert bin, brauche ich Dich! Deine Liebe, Deine Klarheit und Deine Stärke. Diese weisen mir den Weg und geben mir auch in diesen unangenehmen Momenten Geborgenheit. Ich will nie das Sagen haben, auch wenn es den Anschein hat. Manchmal ist es auch für mich komisch, dass Du was ganz anderes willst, als ich, dass wir nicht dasselbe wollen oder denken. Ich will aber selbstständig werden, alleine entscheiden dürfen und dennoch liebe ich Dich unendlich! Und Du mich doch auch, oder?


Sage mir die Wahrheit. Mute mir Verstand zu. Wenn Du mir etwas mit einfachen Worten erklärst, so dass ich es "mitfühlen" kann, schenkst Du mir viel Vertrauen und Achtung. Das tut so gut! Glaub mir, ich verstehe mehr, als Du denkst. Du musst aber wissen, dass ich des öffteren an Sachen erinnert werden muss. Ich will nicht lästig sein, bitte glaub mir, ich will wirklich niemanden ärgern. Ich lerne aber in meinem eigenen Tempo und das, wozu ich gerade bereit bin. Daher bitte ich Dich, habe Geduld und vertraue mir!

Sei nicht wütend oder genervt wenn ich gerade selbst wütend und genervt bin. Denn wenn Du auch wütend wirst, wenn Du Dich meinem Chaos anschließt, fühle ich mich noch unsicherer. Lass mich lieber in deiner Ruhe und Klarheit das Gefühl von Sicherheit wiederfinden. Dann weiß ich, dass es okay ist, mal wütend oder frustriert zu sein, dass ich auch dann wertvoll bin, dass Du mich auch dann liebst.

Sieh die Welt auch aus meiner Sicht und bestätige meine Gefühle so oft Du nur kannst. Auch, wenn es Dir lächerlich, falsch oder verrückt erscheint. Es gibt keine falschen Wünsche und Gefühle, nur falsche Wege, auf diese zu reagieren. Ich will auch manchmal 'Nein' sagen und machmal auch 'Doch'. Bitte akzeptiere das. Ich muss wissen, dass es okay ist, Gefühle und Wünsche zu haben, dass Du diese wahrnimmst und verstehst und dass Du auch dann nicht aufhörst mich zu lieben. " 


Wenn ich ein Verhalten wiederhole, so ist es deswegen, weil ich nach Bestätigung suche. Weil ich es besser verstehen will! Wenn Du mir einen bösen Blick zuwirfst oder zu laut und barsch 'Nein!', 'Lass das endlich!' und 'Was machst Du schon wieder!?' schreist, werde ich in meiner Sache noch unsicherer. Dann habe ich das Gefühl, als würde etwas mit mir nicht stimmen. Gib mir doch lieber eine ruhige Antwort. Sag mir lieber, was Du möchtest. Ich muss wissen, dass mein Verhalten nicht erlaubt ist, aber ich brauche auch die Gewissheit, dass es kein Weltuntergang ist, dass man es ohne viel Aufwand ändern kann, ohne Gefahr zu laufen, aufeinander wütend zu werden. 

Zeige mir, wie die Sachen funktionieren. Zeige mir, wie man den Alltag meistert. Denk daran, ich bin neu hier und möchte doch so gerne dazugehören. Wie machst Du das, dass die Karotten so klein geschnitten werden? Wie schaffst Du es, immer alles wegzuräumen? Zeige mir doch, wie es geht! Ich merke oft, dass Du Bedenken hast, immerhin bin ich noch nicht so geschickt, wie Du. Aber vertraue mir, ich will das lernen und habe Mühe mein Bestes zu geben.


Mute mir Fehler zu. Denn ich lerne aus meinen Fehlern richtig viel. So habe ich auch das Gehen gelernt, auch das Greifen und Sprechen. Hast du es gar nicht bemerkt? Dabei bin ich ständig hingefallen, habe lange Zeit danebengegriffen und die Laute immer wieder durcheinandergebracht. Aber genau diese Fehler haben mich dazu bewegt, noch einen Anlauf zu nehmen, und dann noch einen und immer wieder zu probieren und zu üben, bis ich dann Erfolg hatte. Mute mir diese Fehler zu. Ich brauche diese um zu wachsen! 

Lass mir Zeit. Lass mir Freiraum. Lass mich die Welt selbst entdecken. Wenn ich Hilfe brauche, werde ich mich schon melden. Lass mich lernen mich selbst zurechtzufinden und habe dabei viel Geduld mit mir. Ich mag wohl für dich langsam sein, für dich vieles falsch machen, aber diese Erfahrungen brauche ich, um die Welt zu verstehen. Und wenn du mir diese Selbstständigkeit ermöglichst, mich beobachtest, einfach nur beim Entdecken zuschaust, glaube mir, werden wir einander viel besser verstehen.


"Angenommen, eine närrische Froschmutter würde ihren kleinen Kaulquappen im Teich sagen: 'Kommt heraus aus dem Wasser, atmet die frische Luft ein, vergnügt Euch im grünen Gras, dann werdet ihr alle zu starken, gesunden kleinen Fröschen heranwachsen. Kommt schon mit, Mutter weiß es am besten!' - Wenn dann die kleinen Kaulquappen versuchten zu gehorchen, würde es gewiss ihr Ende bedeuten.


Und doch ist dies die Art, in welcher so viele von uns versuchen, die Kinder zu erziehen. Wir sind darauf bedacht, sie zu intelligenten und nützlichen Bürgern zu machen, die einen guten Charakter haben sollen und die gute Manieren an den Tag legen sollen. Und so verwenden wir viel Zeit und Geduld darauf, sie zu korrigieren.


Dieses kleine Leben, das wir zu modellieren bemüht sind, braucht kein Drängen und Quetschen, kein Verbessern und Bemäkeln, um seine Intelligenz und seinen Charakter zu entwickeln. Die Schöpfung achtet auf die Kinder ebenso, wie sie dafür sorgt, dass die Kaulquappe zu einem Frosch wird, wenn die Zeit dazu da ist.


'Aber', höre ich Sie sagen, 'sollen wir die Kinder tun lassen, was sie wollen? Wie können sie wissen, was das Beste für sie ist, wenn sie keine Erfahrung haben? Und denken Sie, was für kleine Wilde sie würden, wenn wir sie nicht Manieren lehrten.'


Haben Sie jemals Ihren Kindern auch nur an einem Tag die Chance gegeben zu tun, was sie möchten, ohne dass Sie sich einmischten? Versuchen Sie es, und Sie werden erstaunt sein. Warten Sie und beobachten Sie, wie etwas ihr Interesse einfängt. Vielleicht sehen die Kinder Sie einen Schlüssel im Schloss drehen und wollen das auch tun. Oder sie wollen Ihnen fegen helfen. Oder sie möchten eben ein paar niedliche kleine Muster  mit Steinchen auf Ihren sauberen Flur legen. [...] Geben Sie ihnen den Schlüssel, suchen Sie ihnen einen kleinen Besen zum Fegen, lassen Sie sie das Muster auf den Flur legen und sehen, wie sie davon gefesselt werden.


Es ist oft nicht genug für Kinder, etwas ein- oder zweimal zu tun, sondern sie wollen die gleiche einfache Handlung wieder und wieder ausführen, bis sie einen inneren Drang gesättigt zu haben scheinen. Sie werden überrascht sein, wie sie vor Unfug bewahrt sind, wenn sie sich mit etwas beschäftigen dürfen, was sie wirklich interessiert. Aber wenn Sie ungeduldig eingreifen und irgendeine fesselnde Beschäftigung unterbrechen, zerstören Sie die Konzentration und Ausdauer Ihres Kindes. Und sehr wahrscheinlich wird sich das Kind mit bewusstem Unfug Luft verschaffen.


[...] Wir sind alle so eifrig mit unserem erwachsenen Froschwerk beschäftigt, dass wir vergessen, dass die kleinen Kaulquappen ihr eigenes Werk zu verrichten haben.

Aber wenn wir unsere ganze Haltung ändern und uns selbst sagen: 'Das Kleinkind weiß, was das beste für es ist. Lasst uns selbstverständlich darüber wachen, dass es keinen Schaden erleidet. Aber statt es unsere Wege zu lehren, lasst uns ihm Freiheit geben, sein eigenes kleines Leben nach seiner eigenen Weise zu leben.' Dann werden wir, wenn wir gut beobachten, vielleicht etwas über die Wege der Kindheit lernen."
  
Auszug aus dem Artikel: "When Your Child Knows Better Than You" von Dr. Maria Montessori 
an Eltern gerichtet,
aus der Zeitschrift: Daily Dispatch, 1932, 3. Februar

Als Montessori-Pädagogin liebe und schätze ich die Montessori-Materialien! Und ebenso liebe ich selbstgemachte Materialien und tolle Ideen für zu Hause, die schlicht und sinnvoll sind und es Kindern ermöglichen, eigene Entdeckungen zu machen. Ich habe schon viele tolle Ideen im Internet gesehen und auch ich selbst mache gerne solche Materialien für meine Tochter, dennoch denke ich, dass in Wirklichkeit nicht diese Materialien Montessori zu Hause ausmachen.


Ich kenne einige Familien, die viele Materialien für zu Hause basteln, den Kindern aber nur in wenigen Bereichen Selbstständigkeit ermöglichen und auch mit der Philosophie nicht ganz einverstanden sind. Und ich kenne Familien, (unter anderem auch von Montessori-Pädagogen), wo Kinder in ganz vielen Bereichen im Alltag  selbstständig sind und auch mit dieser ganz bestimmten Grundhaltung begleitet werden, jedoch kaum selbstgemachte Materialien zu Hause haben. Ich weiß, dass manche Eltern verzweifelt sind, weil ihre Kinder keine Montessori-Einrichtung besuchen können oder weil sie weder die Zeit noch die Ressourcen haben, all die schönen Materialien aus dem Internet nachzubasteln. Aber das Wesentliche, was Montessori zu Hause wirklich ausmacht, sind nicht diese Materialien.


Mit einer Vorbereiteten Umgebung die es Kindern erlaubt, ihre Unabhängigkeit Stück für Stück zu erobern, ist bereits eine Menge getan! Auch mit einigen wenigen, sorgfältig ausgesuchten Spielsachen, die den Interessen der Kinder entsprechen, die schön, schlicht und sinnvoll sind, kann man ein Kinderzimmer wunderbar nach Montessori gestalten. Wenn Kinder am Alltag teilhaben dürfen, echte Aufgaben von Anfang bis zum Ende selbstständig verrichten dürfen und ihre Hände sinnvoll gebrauchen, ist dies viel wesentlicher, als selbstgemachte Materialien. Montessori findet man aber auch im Garten oder im Wald, wo Kinder die Lebewesen und die Natur beobachten, erleben und bewundern können. Oder aber auch in Büchern, beim Wäsche zusammenlegen, beim Tischdecken... Montessori steckt überall!


Es bedeutet, den Kindern zu zeigen, wie schön doch unsere Welt ist und ihnen nur "einen Lichtstrahl geben und dann weitergehen" (Maria Montessori) und sie einfach staunen und entdecken lassen. Es bedeutet, sie nicht ständig zu korrigieren und sich auch nicht in ihre (innere) Arbeit einzumischen und ebensowenig ihnen ständig was beibringen zu wollen, sondern ihnen zu vertrauen. Darauf, dass sie einem inneren, natürlichen Bauplan folgen, dass sie geborene "Macher" sind, die von Anfang an lernen wollen - aber immer nur das, wozu SIE bereit sind.


Es ist die Bereitschaft, Kinder zu verstehen, sie ernst zu nehmen und achtsam auf ihrem Weg zu begLEITEN. Es bedeutet, in allem, was wir tun, den Kindern Vorbilder zu sein und ihnen so auch das Rüstzeug zu geben, anderen Menschen respektvoll und friedlich zu begegnen aber auch, ihre Konflikte und ihr Bangen gewaltfrei zu lösen. Auch wenn ich selbst gerne solche Materialien herstelle, bin ich zu Hause keine Pädagogin, sondern Mama. Diejenige, die ihren Kindern zeigt, was eine Beziehung im wesentlichen ausmacht und was es bedeutet, einander zu vertrauen... die, die sie bedingungslos liebt, ermutigt aber auch loslässt. Und all das braucht keine selbstgemachten Materialien.

"Wenn wir erkennen, das Montessori ein Verb ist, eine Handlung und keine Sache, gestatten wir uns selbst [...] zu wachsen. Wenn wir erkennen, dass Montessori nicht benannt, etikettiert oder identifiziert werden, sondern nur gelebt werden kann, sprechen wir den Zauberspruch." 
- Catherine McTamaney: Das Tao von Montessori