
Sie ziehen sorgfĂ€ltig alle TaschentĂŒcher aus der Box heraus, binnen Minuten verwandeln sie das Badezimmer in einen Swimmingpool und lassen mit der Kinderschere auf dem Perser-Teppich ihrem kĂŒnstlerischen Geist freien Lauf. Und ein paar Mal muss man auch dann ordentlich schlucken, wenn man die groĂzĂŒgigen Filzstift-Signaturen seines Kindes auf den Seiten seines Buches - eine echte RaritĂ€t noch dazu - entdecken muss.
Wenn sie etwa 20 Minuten lang voller Motivation damit beschĂ€ftigt sind, ihre Schuhe auf- und wieder zuzuschnĂŒren. Oder wie sie ganz konzentriert entlang eines schmalen Sockels herum balancieren können und wenn sie aus den einfachsten GegenstĂ€nden etwas ganz neues kreieren können. Oder wenn sie beim Aufbruch unbedingt und um jeden Preis ihre Sachen in ihrem eigenen Rucksack verstauen und dann tragen möchten und wĂ€hrend wir die HaustĂŒr zusperren, kommen sie plötzlich auf die Idee, dann unbedingt und um jeden Preis doch ohne Rucksack gehen zu wollen. Oder wenn sie uns den ganzen Tag nur Löcher in den Bauch fragen.
Warum tun sie all diese Dinge?
Sachen, fĂŒr die wir keine ErklĂ€rung finden. Und nach denen wir auch gar nicht suchen sollten. Denn alles, was Kinder machen, ist das Prinzip ihres eigenen Werdens. Sie wissen zwar nicht so genau, warum sie etwas machen, aber sie machen es ganz einfach. Es ist ihre Natur. Weil sie von Neugierde, von einem Entdeckungs-, Erforschungs- und Erprobungsdrang angetrieben werden, welcher genauso natĂŒrlich fĂŒr ihren Geist ist, wie das Wachsen ihres Körpers. Wir können ihnen zuschauen, sie bewundern, aber was immer sie machen und warum sie dies machen, bleibt ganz alleine ihr Geheimnis.
Und wenn das BĂŒcherregal nicht zum Klettern, die RaritĂ€tenbĂŒcher nicht zum Ausmalen, das Waschbecken nicht fĂŒr Wasserexperimente und der Perser-Teppich nicht fĂŒr kĂŒnstlerische Laune geeignet sind, dann brauchen Kinder halt Alternativen. Es wĂ€re völlig sinnlos, sie von diesem seltsamen, erstaunlichen und geheimnisvollen Tun gĂ€nzlich abhalten zu wollen. Ich habe es ein paar mal gewagt. Geht nicht.
Was sie statt dessen brauchen, sind Alternativen, womit sie ihren Drang, den sie so stark verspĂŒren, nachgehen können. Einen Ort oder passende GegenstĂ€nde, wo und womit sie das, was sie wirklich bewegt, ausleben können. Wo sie in Ruhe an ihrem "Werden" arbeiten können. Völlig ungestört. Befreit von unserem stĂ€ndigen Eingreifen. Befreit von unseren nervigen Bemerkungen, Besserwisser- und Fragerei.
einer deiner schönsten texte.
AntwortenLöschendu hast so recht.
kinder machen manchmal sachen, die einem den verstand rauben. aber nur, weil sie falsch verstanden wurden bzw. werden.
dieser satz klebt jetzt an der spielzimmertĂŒr. gut lesbar fĂŒr jeden besucher (und hin und wieder auch fĂŒr mich). hoffentlich zum weiterdenken.
danke.
lieb, ann-ka
Wow. Sehr schön geschrieben!
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