Ein Mädchen (20 Monate alt) sieht in dem
Netz an der Raumdecke einen Luftballon. Sie kommt zu mir: „Antje, Ballon!“ Ich
frage: „Wo ist ein Ballon?“ „Da oben.“ Sie zeigt auf das Netz. „Antje, Ballon
runter holen!“ fordert sie. Ich stelle mich unter den Ballon und recke meinen
Arm nach oben. „Ich komme nicht an den Ballon heran, ich bin zu klein,“ sage
ich zu dem Mädchen. Sie überlegt kurz und kommt dann mit erhobenen Händen auf
mich zu – ihr Zeichen, dass sie auf den Arm möchte. Ich hebe sie hoch, wir
stehen unter dem Ballon und das Mädchen versucht an den Ballon heranzureichen.
Doch auch das gelingt nicht. Ich setze sie wieder auf den Boden. Das Mädchen
überlegt, schaut sich im Raum um. Dann geht sie zielstrebig auf meine Kollegin
zu und signalisiert ihr, dass sie auf dem Arm möchte. Dann zeigt sie auf den
Ballon. Meine Kollegin geht mit dem Mädchen auf dem Arm zu dem Ballon und da
sie größer ist als ich gelangt das Mädchen nun an den Luftballon und kann ihn
zum Spielen aus dem Netz holen.
Diese Szene hat sich vor einiger Zeit in
unserer Krippe abgespielt. Ich bin Antje von Fairy & Snail, Erzieherin und arbeite seit vier Jahren in
einer Krippengruppe einer städtischen Kita mit Kindern von 1-3 Jahren. In der Ausbildung zur Erzieherin kam ich das
erste Mal mit den Gedanken von Maria Montessori
in Kontakt und ich fand sie sofort logisch. Für mich waren ihre Ansätze
einfach nachvollziehbar. Ein Kind kommt auf unsere Welt und es kennt noch
nichts – wie ein Außerirdischer. ;)
Natürlich muss ein Kind seine Umwelt
be-greifen (im wahrsten Sinne des Wortes), um sie kennen lernen zu können. Der
Mensch ist ein Wesen, das am besten ganzheitlich lernt, mit möglichst vielen
seiner Sinne gleichzeitig. Um begreifen zu können, was „rund“ ist, muss das
Kind die Form kennen lernen – das tut es, indem es z.B. eine Kugel anfasst und
sie in den Mund nimmt. „Rund“ hat aber auch eine physikalische Bedeutung, die
das Kind wahrnimmt, indem es die Kugel rollen lässt. Im Kontakt mit einer sprechenden
Person lernt das Kind das Wort „rund“ kennen. Und so erschließt sich das Kind
nach und nach, was es mit dem Wort und der Bedeutung „rund“ auf sich hat. Ist doch logisch, oder? ;)
Mit meinem an die Montessori-Pädagogik
angelehnten Ansatz mit den Kindern umzugehen habe ich (bei den Kindern) viele
positive Erfahrungen gemacht, denn die Kinder genießen es, wenn sie selbst
tätig werden dürfen. Wenn nicht nur etwas mit ihnen gemacht wird, sondern wenn
sie selbst machen dürfen. Sie sind sehr konzentriert bei der Sache, sie wirken
auf mich, als würden sie schwer arbeiten – aber im sehr positiven Sinne. Sie
sind völlig versunken im Hier und Jetzt, in dem was sie tun. Sie übernehmen
begeistert Aufgaben und führen sie - so gut es ihnen möglich ist - aus. Und
meiner Erfahrung nach lernen sie so auch leichter und nachhaltiger – was ja für
viele Erwachsene sehr wichtig ist.
„Sage es mir, und ich werde es vergessen.
Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich
werde es können. (Konfuzius)
Die Szene, die ich oben beschrieben
habe, hat mir wiedermal vor Augen geführt, was diese „kleinen“ Kinder schon
können. Als Erwachsener neigt man dazu, in einer solchen Szene dem Kind gut
gemeint zu helfen und man kümmert sich selbst darum, dass der Luftballon aus
dem Netz befreit wird. Doch dem Mädchen wurde die Lösung nicht vorweggenommen,
sie musste sich selbst darum bemühen - und sie hat es geschafft!
Wenn es den Kindern nicht gelingt,
dass zu tun, was sie möchten, kommt es immer sehr auf das Kind an, wie es
reagiert – aber auch auf die Erwachsenen, die drumherum sind. Die Kinder können
in einer solchen Situation wahnsinnig frustriert sein. Ich habe jedoch die
Erfahrung gemacht, dass sie sehr gut darauf reagieren, wenn wir Erwachsenen sie
dann in ihrem Tun unterstützen. Eben wenn wir ihnen helfen, es selbst zu tun
und es ihnen nicht aus der Hand nehmen.
Ich kann
jedem, der im privaten oder beruflichen Leben mit Kindern umgeben ist, nur
raten mal auszuprobieren was passiert, wenn man die Kinder „einfach mal machen
lässt“. Natürlich kann man die Situation nach eigenem Empfinden auswählen oder
gestalten (je nach Sicherheits- oder Sauberkeitsbedürfnis). Aber ich bin jedes
Mal wieder begeistert davon, was die Kinder machen, welche Ideen sie haben, welche
Lösungswege sie entwickeln, womit sie sich beschäftigen."
Danke für die schöne Geschichte mit dem Ballon und deine Gedanken!
AntwortenLöschenAlles Liebe, Katharina