09.09.2017

Anna interviewt Simone Davies - über Montessori zuhause, Kleinkinder und ihr Buch


Heute habe ich einen ganz besonderen Gast und eine liebe Freundin, der ich einige Fragen über Montessori zuhause und über Kleinkinder stellen darf. Die Originalversion des Interviews auf englisch könnt ihr hier lesen.

Liebe Simone, erzähle ein wenig über Dich. Woher kommst Du? Wo lebst Du? Was machst Du, wenn du gerade keine Blogartikel (oder Bücher) schreibst?

Hallo an alle! Ich fühle mich sehr geehrt heute auf Anna's Blog schreiben zu können. Ich liebe Anna's Räumlichkeiten zuhause und mitanzusehen, wie ihre Kinder wachsen. Meine Großeltern sind auch aus Österreich, daher hat es einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Mein Name ist Simone Davies, ich bin eine AMI Montessori Pädagogin und lebe in Amsterdam. Ich bin vor 11 Jahren aus Sidney hierher gezogen (ich bevorzuge Regen und Fahrräder) und habe zwei wundervolle Kinder, Oliver (16) und Emma (15). Unter der Woche leite ich Eltern-Kind-Gruppen bei Jacaranda Tree Montessori für 0-4 Jahre alte Kinder. Die Kinder kommen mit ihren Eltern in eine Montessori-Umgebung wo auch Eltern  vom Beobachten ihrer Kinder so viel lernen können und mir Fragen stellen über Probleme, die sie zuhause haben. 

Vor 2 Jahren startete ich den Blog The Montessori Notebook für Eltern, die Montessori in ihren Alltag einbringen wollen. Im Sommer habe ich an meinem Buch "Das Montessori Kleinkind" gearbeitet um Eltern zu helfen, ihre Kinder besser zu verstehen. Es war ein tolles Projekt und ich freue mich, es nun veröffentlichen zu dürfen.


Wenn ich nicht arbeite, verbringe ich gerne Zeit mit meinen eigenen Kindern. Obwohl sie schon Teeneger sind, machen wir das Beste aus unserer gemeinsamen Zeit und spielen Brettspiele, machen Spaziergänge, kochen und essen gemeinsam und führen tolle Gespräche - den Teil mag ich am liebsten. Jugendliche sind wirklich eine gute Gesellschaft!

Ich liebe es, durch Amsterdam zu radeln, verbringe gerne Zeit mit Freunden bei einem Tee, mache Yoga und Meditation und in letzter Zeit habe ich einen grünen Daumen entwickelt und kümmere mich um eine immer größer werdende Sammlung von Hauspflanzen. Um mich zu entspannen, gönne ich mir jeden Abend ein Bad, gefolgt von einem guten Buch im Bett.


Was beeindruckt Dich an der Altersgruppe 0-3?

Die meisten Montessori-Pädagogen haben eine "Lieblings-Altersgruppe" und meine ist definitiv die der Kleinkinder. Ich denke, ich könnte im Herzen noch ein Kleinkind sein. Sie sind sehr authentisch, sie sagen genau, wie sie sich fühlen und können nur im Hier und Jetzt leben (nicht in der Zukunft und auch nicht in der Vergangenheit). Sie erden mich und ich lerne von ihnen jeden Tag. Sie zeigen mir, wie ich langsamer werden kann, die Welt um mich herum mit anderen Augen zu sehen und ihr Kuscheln ist das süßeste Geschenk.

Niemals später in ihrem Leben werden sie so viele Veränderungen durchmachen, wie in diesen frühen Jahren. Sie nehmen alles unbewusst mit Leichtigkeit auf und beginnen zu gehen, zu reden und unabhängig zu werden. Als Erwachsene haben wir ein enormes Potenzial um ihnen zu helfen und die Grundlagen zu legen, mit denen wir in den darauf folgenden Jahren arbeiten werden.


Nicht jeder kann es sich leisten, die schönen Montessori-Materialien für zuhause anzuschaffen und viele haben auch kaum Zeit, solche selbst zu erstellen. Können sie Montessori zuhause dennoch umsetzen?

Unbedingt! Ich glaube, bei Montessori zuhause geht es mehr darum, wie wir mit den Kindern leben, den Respekt, den wir ihnen geben, wie wir sie bei ihrer Neugierde und Unabhängigkeit unterstützen und ihnen dabei helfen, Verantwortung für sich Selbst zu tragen. Dazu braucht es keine Materialien.

Hier einige Ideen für die Umsetzung zuhause:
  • Langsame, kind-geleitete Spaziergänge in der Nähe des Hauses - lass Dich von deinem Kind leiten und es wird dir Blumen zeigen, die am Bürgersteig wachsen und Flugzeuge, die über Eure Köpfe fliegen usw.
  • Verbringe mit deinen Kindern viel Zeit in der Natur, im Park, im Wald oder am Meer.
  • Gemeinsam backen oder gemeinsam das Abendessen zubereiten - junge Kinder können das Gemüse waschen, mit einem Buttermesser schälen und schneiden und dabei helfen, den Tisch zu decken.
  • Wenn du beobachtest, dass sie gerne Schubladen auf- und zumachen, kann das eine wunderbare Aktivität werden - leere eine Schublade aus, die sie benutzen können und lege spannende Sachen hinein um diese zu entdecken.

Die Möglichkeiten sind endlos, wenn Du seinen Interessen folgst und mit ihm in Verbindung bleibst.

Einige Eltern sind enttäuscht, wenn sie sehen, dass das Kind die Vorbereitete Umgebung nicht annimmt oder etwas ganz anderes damit macht, wie erwartet. Was können diese Eltern tun?

Beim Montessori-Ansatz gibt es die Ansicht, "das Kind dort zu treffen, wo es gerade steht". Das bedeutet, das Kind zu sehen welche Interessen es gerade hat und mit und für es Aktivitäten ausdenken, die seinen Interessen folgen. Dann werden Kinder viel wahrscheinlicher in eine Arbeit versinken. Sie sind von Natur aus von Aktivitäten angezogen, die sie auch meistern können.


Also wäre mein Rat, auf alle Aktivitäten zu verzichten, die nicht genutzt oder nur herumgeworfen werden und nur ein paar Aktivitäten anzubieten, die das Kind liebt. Dann sind sie auf diese Aktivitäten wahrscheinlich viel mehr fokussiert und an diesen mehr interessiert.

Das Prinzip "weniger ist mehr" gilt definitiv für Zuhause bei der Umsetzung. Entferne das überladene Mengenangebot, beschaffe einige Pflanzen und Kunstwerke, platziere diese auf Augenhöhe des Kindes und mach nur so viele Dinge für das Kind zugänglich, so viel Du bereit bist, danach auch weg zu räumen. So wird die Umgebung viel schöner, einladender und fesselnder für Dein Kind.

Und wenn alles andere scheitert, geht nach Draußen! Es ist die ultimative Vorbereitete Umgebung mit Möglichkeiten zum Entdecken, Klettern und sich zu bewegen.


Es heißt ja, den Kindern so viel helfen, wie notwendig, und so wenig, wie möglich. Ich denke, manche Eltern tun sich dabei sehr schwer. Was würdest du ihnen raten?

Ja, die Balance ist eine Herausforderung. Wenn Du das Gefühl hast, dich zu schnell in das Tun deines Kindes einzumischen, kannst Du den Tipp von Dr. Montessori nehmen. Sie pflegte einen Rosenkranz zu tragen und die Perlen zu zählen, um sich davon abzuhalten, etwas für ein Kind zu tun, was das Kind für sich selbst tun konnte. Ich sitze manchmal sogar auf meinen Händen. Es fällt uns schwer, nicht sofort zu helfen und sogar nach fast 15 Jahren Montessori-Arbeit fällt es mir manchmal schwer, nicht gleich aufzuheben, was ein Kind fallen ließ, ihm den Wasserhahn gleich aufzudrehen oder ihm beim Schuheanziehen zu helfen. 

Eine weitere Idee ist, ihnen nur bei dem Bisschen zu helfen, womit sie wirklich Schwierigkeiten haben. Sage ihnen, dass Du es bemerkt hast, dass sie sich schwer tun, das Schloss zu öffnen. Du kannst eingreifen, um ihnen zu zeigen, wie sie den Schlüssel im Schloss drehen können und dann einen Schritt zurücktreten, um ihnen zu erlauben, den Rest selbst zu schaffen.


Die Fähigkeiten zu stärken ist auch ein guter Weg um das Gleichgewicht zwischen nicht zu viel und nicht zu wenig zu finden. Als ich das erste Mal von Montessori hörte, dachte ich, Kinder müssten sich sofort alleine anziehen können. Doch allmählich erkannte ich, dass ich sie unterstützen und ihnen helfen muss. Gib ihnen ein wenig Hilfe wenn sie nicht weiter können, zum Beispiel, das T-Shirt über den Kopf zu ziehen und dann ihnen aber Zeit lassen, die Arme selbst hineinzustecken. Du wirst sehen, sie werden allmählich mehr und mehr Schritte übernehmen, bis sie schließlich alles selbst schaffen.

Wem möchtest Du Dein Buch empfehlen?

Mein Buch hat den Titel "The Montessori Toddler" (Das Montessori Kleinkind) und ist ein umfassender Leitfaden um Kleinkinder auf dem Montessori-Weg zu begleiten. Es ist voll mit praktischen Tipps für die Umsetzung des Montessori-Ansatzes zuhause, wie Aktivitäten erstellt werden können, wie Du das Chaos loswerden und Deinem Kind eine passende Umgebung schaffen kannst, wie Du seine Neugier stillen kannst und gleichzeitig es begleiten, wenn es Hilfe braucht.


Es ist ideal für engagierte Eltern, Betreuer und Großeltern. Für diejenigen, für die Montessori noch neu ist, die bereits versucht haben Montessori umzusetzen oder einfach nicht die Möglichkeit haben, ihre Kinder eine Montessori-Einrichtung besuchen zu lassen. Es kann von vorne bis hinten gelesen werden oder nur kapitelweise, um Tipps und Ideen zu finden, die gleich ausprobiert werden können.

Liebe Simone, ich Danke Dir für deine wertvollen Gedanken und Tipps und natürlich auch für die wunderschönen Fotos von deinem Gruppenraum. Ich kann mir vorstellen, dass hier nicht nur Kinder sich wohlfühlen und entfalten können, sondern auch Eltern eine Menge von ihren Kindern aber auch von Dir lernen können.

Ich danke Dir, Anna, dass Du mich eingeladen hast, meine Gedanken mit Deinen Lesern zu teilen. Ich hoffe, sie können Montessori zuhause umsetzen um Ruhe, Frieden und Freude in ihr Zuhause zu bringen.

Anmerkung: Simone findet ihr auch auf Facebook und auf Instagram. Sie gibt tolle Eltern-Workshops online, wie Montessori zuhause umgesetzt werden kann, so dass Eltern überall auf der Welt dies machen können. Ihr wunderbares, frisch erschienenes Buch ist HIER erhältlich!

3 Kommentare

  1. Was für ein tolles, inspirierendes Interview - vielen Dank!
    Kannst du mir sagen, wo ich das Mengenbrett mit den Holzperlen finde?

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    1. I'm glad you enjoyed the interview. My German is not so good, but the wooden bead material is from Etsy, the shop is "FromJennifer": https://www.etsy.com/listing/453413462/wooden-number-counting-tracing-board?ref=shop_home_active_28

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  2. Vielen Dank für das wunderbare Interview.
    Wird es in naher Zukunft das Buch auch in Deutsch übersetzt geben?
    Herzliche Grüße Nadine

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