27.03.2017

Und wie sehen das eigentlich die Kinder?


Manchmal läuft der Familienalltag so richtig unrund. An solchen Tagen hilft es mir immer wieder, wenn ich versuche, meinen Blickwinkel zu ändern und es aus den Augen meiner Tochter zu sehen. Was denkt sie? Was würde sie zu mir sagen, wenn sie ihre Bedürfnisse in Worte fassen könnte?

Lass mich Dein Verbündeter sein. Es verletzt mich, wenn Du mich mit Tricks, mit Bestechungen, mit Drohungen oder Bestrafungen zu etwas zwingen willst, was ich eigentlich gar nicht machen mag. Wenn Du gegen mich bist, wenn wir ständig streiten, ist es für mich sehr beängstigend. Ich brauche Dich ja doch so dringend an meiner Seite! Sage es mir doch stattdessen höflich oder zeige mir einfach, was Du von mir willst. Und hindere mich freundlich aber bestimmt, Sachen zu tun, die Du nicht willst, dass ich sie tue, noch bevor Du wütend auf mich wirst. Wenn Du geduldig und respektvoll bleibst und mich auch mal meine Sachen in Ruhe fertig machen lässt, wirst Du sehen, werde ich danach richtig strahlen. 

Habe keine Angst vor meinen Reaktionen und lass mich auch Grenzen spüren. Wenn Du unsicher wirst, Du, den ich am meisten brauche, wie soll ich mich dann sicher fühlen? Es ist ganz schlimm für mich, wenn Du ängstlich bist, wenn Du zögerst oder ausweichende Antworten gibst. Ich weiß, meine Wutanfälle sind auch nicht gerade angenehm, aber auch wenn ich tobe oder frustriert und verärgert bin, brauche ich Dich! Deine Liebe, Deine Klarheit und Deine Stärke. Diese weisen mir den Weg und geben mir auch in diesen unangenehmen Momenten Geborgenheit. Ich will nie das Sagen haben, auch wenn es den Anschein hat. Manchmal ist es auch für mich komisch, dass Du was ganz anderes willst, als ich, dass wir nicht dasselbe wollen oder denken. Ich will aber selbstständig werden, alleine entscheiden dürfen und dennoch liebe ich Dich unendlich! Und Du mich doch auch, oder?


Sage mir die Wahrheit. Mute mir Verstand zu. Wenn Du mir etwas mit einfachen Worten erklärst, so dass ich es "mitfühlen" kann, schenkst Du mir viel Vertrauen und Achtung. Das tut so gut! Glaub mir, ich verstehe mehr, als Du denkst. Du musst aber wissen, dass ich des öffteren an Sachen erinnert werden muss. Ich will nicht lästig sein, bitte glaub mir, ich will wirklich niemanden ärgern. Ich lerne aber in meinem eigenen Tempo und das, wozu ich gerade bereit bin. Daher bitte ich Dich, habe Geduld und vertraue mir!

Sei nicht wütend oder genervt wenn ich gerade selbst wütend und genervt bin. Denn wenn Du auch wütend wirst, wenn Du Dich meinem Chaos anschließt, fühle ich mich noch unsicherer. Lass mich lieber in deiner Ruhe und Klarheit das Gefühl von Sicherheit wiederfinden. Dann weiß ich, dass es okay ist, mal wütend oder frustriert zu sein, dass ich auch dann wertvoll bin, dass Du mich auch dann liebst.

Sieh die Welt auch aus meiner Sicht und bestätige meine Gefühle so oft Du nur kannst. Auch, wenn es Dir lächerlich, falsch oder verrückt erscheint. Es gibt keine falschen Wünsche und Gefühle, nur falsche Wege, auf diese zu reagieren. Ich will auch manchmal 'Nein' sagen und machmal auch 'Doch'. Bitte akzeptiere das. Ich muss wissen, dass es okay ist, Gefühle und Wünsche zu haben, dass Du diese wahrnimmst und verstehst und dass Du auch dann nicht aufhörst mich zu lieben. " 


Wenn ich ein Verhalten wiederhole, so ist es deswegen, weil ich nach Bestätigung suche. Weil ich es besser verstehen will! Wenn Du mir einen bösen Blick zuwirfst oder zu laut und barsch 'Nein!', 'Lass das endlich!' und 'Was machst Du schon wieder!?' schreist, werde ich in meiner Sache noch unsicherer. Dann habe ich das Gefühl, als würde etwas mit mir nicht stimmen. Gib mir doch lieber eine ruhige Antwort. Sag mir lieber, was Du möchtest. Ich muss wissen, dass mein Verhalten nicht erlaubt ist, aber ich brauche auch die Gewissheit, dass es kein Weltuntergang ist, dass man es ohne viel Aufwand ändern kann, ohne Gefahr zu laufen, aufeinander wütend zu werden. 

Zeige mir, wie die Sachen funktionieren. Zeige mir, wie man den Alltag meistert. Denk daran, ich bin neu hier und möchte doch so gerne dazugehören. Wie machst Du das, dass die Karotten so klein geschnitten werden? Wie schaffst Du es, immer alles wegzuräumen? Zeige mir doch, wie es geht! Ich merke oft, dass Du Bedenken hast, immerhin bin ich noch nicht so geschickt, wie Du. Aber vertraue mir, ich will das lernen und habe Mühe mein Bestes zu geben.


Mute mir Fehler zu. Denn ich lerne aus meinen Fehlern richtig viel. So habe ich auch das Gehen gelernt, auch das Greifen und Sprechen. Hast du es gar nicht bemerkt? Dabei bin ich ständig hingefallen, habe lange Zeit danebengegriffen und die Laute immer wieder durcheinandergebracht. Aber genau diese Fehler haben mich dazu bewegt, noch einen Anlauf zu nehmen, und dann noch einen und immer wieder zu probieren und zu üben, bis ich dann Erfolg hatte. Mute mir diese Fehler zu. Ich brauche diese um zu wachsen! 

Lass mir Zeit. Lass mir Freiraum. Lass mich die Welt selbst entdecken. Wenn ich Hilfe brauche, werde ich mich schon melden. Lass mich lernen mich selbst zurechtzufinden und habe dabei viel Geduld mit mir. Ich mag wohl für dich langsam sein, für dich vieles falsch machen, aber diese Erfahrungen brauche ich, um die Welt zu verstehen. Und wenn du mir diese Selbstständigkeit ermöglichst, mich beobachtest, einfach nur beim Entdecken zuschaust, glaube mir, werden wir einander viel besser verstehen.

9 Kommentare

  1. Ach je, genau das hab ich heute lesen müssen, nachdem schon wieder ein Wochenende mit etwas Streit und Ungeduld auf beiden Seiten vorbeigegangen ist. Vielen lieben Dank für das was du hier geschrieben hast!
    Stephanie

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  2. Vielen lieben Dank auch von mir!
    Daniel, Papa von Thomas (2,5J) und Mina (1J 3M)

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  3. danke, aber oft auch leichter gesagt als getan. Oft sagt man ruhig etwas. Man sagt auch was statt dessen erlaubt ist und trotzdem macht das Kind das. In unserem Fall: Sachen von der Galerie nach unten werfen. Ja Schwerkraft Experimente sind spannend aber nicht im Haus. Das kann man auf einem Baum machen im Garten. Nach 3 Monaten bleibe ich da auch leider nicht mehr ruhig.

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  4. Einfach wunderschön geschrieben und so wahr. Das Kunstprojekt an dem Julia auf einem der Fotos arbeitet (Frosch) sieht toll aus! So eine wunderbare Idee!!
    Liebe Grüße,
    Sabrina

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  5. Liebe Anna

    vielen Dank für diese schöne Zusammenfassung. Ich versuche mich täglich an diesen Dingen. An manchen Tagen klappt es besser als an Anderen. Das kennen sicher alle Eltern. Es tut mir immer wieder gut, solche Worte zu lesen, um am Ball zu bleiben.

    Herzliche Grüße,
    Daija

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  6. ❤❤❤
    So ein toller und schöner Beitrag, der so gut tut beim Lesen.
    Gerade in stressigen Momenten bin ich manchmal das Baby und nicht meine Kleine ;)

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  7. Vielen lieben Dank für diesen Text, der wie gerufen kommt. Wenn sie viel los ist und erledigt werden soll, der Druck auf einen selbst so riesig, dann vergisst man die Welt aus Kinderaugen zu betrachten. Die Geduld ist gering und die Kraft noch weniger vorhanden und ich muss immer wieder aufpassen ruhig zu bleiben, auch wenn ich etwas zum fünften Mal sag und erkläre warum ich genau das jetzt möchte. Ab jetzt werde ich diesen Text ab und an lesen!
    Liebe Grüße, Johanna (eine ansonsten Stille Leserin und an dieser Stelle auch danke für all die anderen, wundervollen Texte)

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  8. Liebe Elternvommars,
    Ich freue mich wirklich sehr über diesen Beitrag. Ich komme aus einer Waldorffamilie und bin durch Sabrina von mamahoch2 auf euren Blog gestoßen! Eure Anregungen sind wirklich prima, und gerade dieser Artikel ist ganz toll. Trotz dass ich eine gute waldorferziehung genossen habe neige auch ich oft dazu, gestresst zu sein wenn das Kind gestresst ist. Im Grunde genommen weiß ich, was ihr hier schreibt, trotzdemhilft es ungemein, das immer mal wieder zu lesen und sich in Erinnerung zu rufen. Lange Rede, eigentlich wollte ich nur DANKE sagen, für all eure tollen Beiträge! Ich habe viele tolle neue Dinge die nun auf die Umsetzung warten!

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  9. danke auch von einem fünffach-Mami mit angehenden Teenagern, die ihren Weg ins Erwachsenenleben suchen und doch noch ganz Kind sind. Es fällt mir oft schwer, den Montessoriweg zu gehen, oft werde ich wütend und fühle mich von den Grossen respektlos behandelt....

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