29.09.2013

Erziehungsratgeber?

 

Als meine Kleine erst noch ein sehnlichst erhoffter Wunsch war und später dann unterwegs, habe ich mich gegen Erziehungsratgeber gewehrt. Ich war der Meinung, wenn man auf seinen gesunden Menschenverstand und sein Bauchgefühl hört, ist man auf einem sicheren Weg. Doch mit ihrem ersten Aufschrei änderte sich meine Meinung schlagartig. Plötzlich überholte mich Angst und Unsicherheit. Ist mein Menschenverstand wirklich immer gesund? Mein Bauchgefühl immer verlässlich? 

Wie die meisten frischgebackenen Mütter war ich am Anfang in vielen Sachen rund um mein Baby unsicher. Ständig hatte ich Fragen: Warum schreit sie? Ist ihr kalt? Hat sie Schmerzen? Habe ich wenig Milch? Kann man überhaupt wenig Milch haben? Warum will sie sich nicht auf den Bauch drehen? Warum spuckt sie so viel? Mache ich was falsch? Ich wendete mich an meine eigene Mutter, an meine Schwester und an Freunde. Aber die Antworten waren nicht nur verwirrend unterschiedlich, oft blieb auch die erhoffte Antwort auf die Frage "Warum?" aus. Also drückte mir meine Schwester meinen ersten Erziehungsratgeber in meine Hand "Warum Babys weinen" (von Aletha J. Solter, Leseprobe HIER) und meinte, ich soll meine eigene Meinung bilden. 

Und ich las. Und machte mir Gedanken. Ich überlegte, ob ich mich mit allem, was ich las identifizieren konnte. Und zum ersten Mal bekam ich auch eine plausible Antwort auf das "Warum?". Ich fühlte mich besser, sicherer und ruhiger. Obwohl ich so viele gutgemeinte Ratschläge von ganz vielen lieben Menschen bekommen habe, machte mir erst dieses Buch bewusst, wie wichtig es ist, alles was man bisher zu wissen pflegte, einfach loszulassen und von vorne zu beginnen. Ganz neu. Ganz individuell. Ich verstand schlagartig wie wichtig es ist, sein Kind mit anderen Augen zu sehen und zu versuchen es zu verstehen. 

Ich fing an nach weiteren Büchern zu suchen und musste feststellen, dass die Auswahl auf dem Markt enorm groß ist. Viele Bücher die ich laß schmiss ich einfach auf den Müll und viele schlinge ich regelrecht runter und frage mich: "Will ich das? Ist es DAS, was ich meinem Kind bieten möchte? Respekt? Liebe und Geborgenheit? Grenzen setzen ohne dabei ihre Würde zu verletzen? Sie bei ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung unterstützen und ihr helfen sich in dieser Welt zurechtzufinden? Dass sie mir immer vertrauen kann? Dass sie in einer Familie aufwächst, wo man aufeinander Acht gibt und ihren eigenen Bedürfnissen auch nachkommen kann? Keine Perfektion sondern das Streben nach Glück". 

Die Antwort weiß man meistens schnell, hapern tut es jedoch bei der Umsetzung. Bei meiner Suche nach dem WIE stolperte ich unter anderem auch über Namen wie Dr. Carlos González, Emmi Pikler, Heidi Maier-Hauser, Jesper Juul und Maria Montessori. Ich las viele ihrer Bücher und machte mir Gedanken über mich, über meine Verantwortung und über DAS Kind. Über MEIN Kind. Einen Erziehungsratgeber zu lesen bedeutet nicht, dass man blind annimmt, was man liest, es bedeutet lediglich sich zu reflektieren, sich Anregungen zu holen und sich Gedanken über Macht, Verantwortung und Gleichgültigkeit zu machen. Es bedeutet, sich zu bilden, egal, ob man dem, was man liest zustimmt oder nicht. 

Wir alle streben nach Frieden, Glück und Liebe und hoffen, unseren Kindern all das ebenso bieten zu können und dass sie in einer besseren und schöneren Welt groß werden dürfen, als wir es taten. Wir möchten ihnen helfen selbstständig zu werden, die Welt, das Leben um sich herum zu entdecken und auch zu schätzen. Wir wünschen uns, dass sie selbst auch geschätzt und geliebt werden und auch sie zu lieben lernen. Dazu brauchen wir unsere Intuition, ein gutes Bauchgefühl, einen gesunden Menschenverstand UND Wissen. Denn wir müssen dazu auch uns, unsere Verantwortung und unser Kind verstehen versuchen. Von Anfang an. 

Denn weiß man das wirklich intuitiv, warum Kinder "trotzen", warum das wichtig ist und warum sie beim Spazierengehen ständig stehen bleiben? Warum sie unsere Nähe suchen, warum sie die Möbel wegschieben oder alles ständig in den Mund nehmen? Warum sie uns ignorieren und warum sie unsere Spiegelbilder sind? Würden hierfür das Bauchgefühl und der Menschenverstand wirklich ausreichen?

5 Kommentare

  1. Ich gestehe: Ich habe noch nicht einen Erziehungsratgeber gelesen, nicht einen einzigen. Ich höre aber nicht nur auf meinen Bauch (wenn auch am meisten), sondern auf den Rat anderer Mamas, denn die sind für mich näher dran, als jeder "Experte" dieses Planeten. Mit diesem Rezept bin ich bisher ganz gut gefahren und Fehler sind zum Machen da, beim nächsten Mal klappt es dann schon besser ;) Bei so einer Mama-Expertin wie dir lese ich übrigens besonders gern! Einen schönen Sonntag. Sina

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    1. Liebe Sina, <3 so lieb von Dir, vielen lieben Dank! :) Ich muss aber dazu sagen, ohne die tollen Bücher, die ich bereits gelesen habe, wäre dieser Blog erst gar nicht zustande gekommen! ;)
      Ganz liebe Grüße,
      Anna

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  2. Ich habe schon viele Erziehungsratgeber gelesen, in meiner Laufbahn als Erzieherin bzw. Nanny und dann wieder als ich Mutter wurde. Ich stimme dir voll und ganz zu, dass man nicht alles annehmen soll, so wie es im Buch steht, sondern schauen muss, ob es für mich passend ist. Vieles in Erziehungsratgebern hat mich auch sicherer und ruhiger gemacht. Oft haben sie mich zum Nachdenken angeregt und in manchen Fällen auch zum Umdenken bzw. ein anderes Verhalten in mir hervorgerufen. Andere Teile vom Buch bzw. ganze andere Bücher, habe ich sofort wieder weggelegt, weil ich mich damit nicht identifizieren konnte. Meiner Meinung nach helfen Erziehungsratgeber auch, meinem Bauchgefühl zu vertrauen, indem ich mir Wissen aneigne. Diese Wissen kann ich dann - nach meinem Bauchgefühl - anschauen, ob es für mich, mein Kind, unsere Familie stimmig ist.

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  3. So wunderbar geschrieben! :)

    Auch ich habe am Anfang gedacht "Ratgeber brauch ich nicht, die verwirren mich nur!". Ich habe aber schnell gemerkt, wie gut es mir tut Fallbeispiele aus dem richtigen Familienleben zu lesen und zu merken "Ich bin nicht alleine, auch andere Kinder haben diese Phasen." Nicht immer war mir mit den vorgegebenen Lösungen geholfen. Trotzdem versuche ich immer, das Beste für mich und meine kleine Familie rauszupicken und bin dadurch offener bzw. kritischer für Vorschläge und Meinungen anderer geworden.

    "Lieben Ermutigen Loslassen" ist (dank dir) momentan eins meiner liebsten Bücher!

    Liebe Grüße und einen tollen Sonntag,

    Laura

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  4. ****Würden hierfür das Bauchgefühl und der Menschenverstand wirklich ausreichen?****

    Jetzt fällt es mir fast schwer, ein überzeugendes "ja" zu schreiben, denn zu dieser Erkenntnis bin ich auch erst gekommen, nachdem ich das Buch "Die Kunst, (k)eine perfekte Mutter zu sein" gelesen habe, ;-). Seit dem (und seit "Das Geheimins glücklicher Kinder" habe ich keinen einzigen Erziehungsratgeber mehr angefasst... (Da verdienen viel zu viele Leute viel zu gut dran)

    In die Kategorie "davon rate ich dringend ab" fällt für mich übriges Carlos Gonzalez "Mein Kind will nicht essen" -- nur fällt mir jetzt leider grad das Wort nicht ein, dass es meiner Ansicht nach treffend beschreibt -- jedenfalls kann der mit seinem Absolutheitsanspruch auch kräftig verunsichern.

    Also: Ja, Bauchgefühl, gesunder Menschenverstand, gute Beobachtungsgabe, authentisch sein -- und ein guter, gelassener Kinderarzt sollten meiner Meinung eigentlich reichen, ;-).

    So long,
    Corinna

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