24.08.2013

Der 3. offene Brief an Montessori


Liebe Frau Montessori!

Schon so lange her, dass ich Ihnen geschrieben habe, aber sehen Sie das als ein gutes Zeichen. Denn das bedeutet, ich komme im Großen und Ganzen zu recht. Dennoch habe ich heute das Bedürfnis Ihnen zu schreiben. Denn ich muss gestehen, manchmal fühlt man sich, wenn man sich bemüht Ihre Philosophie anzueignen, wie Eltern von einem anderem Planeten. Ja, wie Eltern vom Mars.

Wenn man sich die Zeit nimmt und sich mit all Ihren Gedanken auseinandersetzt, hat man das Gefühl, als würde eine Tür aufgehen. Als hätte man plötzlich den Schlüssel zum Verständnis des eigenen Kindes in der Hand. Man fühlt sich bereichert, aufgeklärt und erleichtert. Ich merke nicht nur wie wunderbar sich meine Kleine dadurch zu einem freien und selbstständigen Menschen entwickelt, sondern auch ich mich. Doch von Außen sehen viele nur eins: dass das Kind absolut im Mittelpunkt steht und unendlich verwöhnt wird.

Ich glaube, was bei vielen für einen bitteren Nachgeschmack sorgt, ist das Wort Pädagogik. Als wäre das heute im 21. Jahrhundert eine Art Krankheit. Eltern, die ihre Kinder im Sinne einer Reformpädagogik, mit gegenseitigem Respekt und durch gezielte Förderung großzuziehen versuchen, gelten als Öko-Fanatiker, arogante Akademiker oder Lehrer. Oder arogante Öko-fanatische Lehrer.

Dabei gibt es viele Menschen, die Sie nicht nur verstanden haben, sondern Ihre Botschaft auch weiter zu vermitteln versuchen. Und Menschen, die genau so fest daran glauben, dass eine gute Erwachsenen-Kind-Beziehung möglich ist, wenn man lernt miteinander richtig zu kommunizieren bzw. einander zu verstehen. Und ja, sogar ganz ohne Bestrafen und Loben. Zum Beispiel ein Däne namens Jesper Juul, der auch ganz bestimmt viele Ihre Gedanken kennt und diesen zustimmt. Und ich glaube, wären sie beide in einer Generation geboren, wären sie sogar gute Freunde gewesen.

Ich wünschte, Sie hätten ein ermutigendes Buch für Erwachsene geschrieben, die sich wie Marsmenschen fühlen. Oder noch besser, ein aufklärendes Buch für diejenigen, die einen als solche Marsmännchen bezeichnen. Denn wenn das Kind im Mittelpunkt steht, bedeutet dies keineswegs, dass es immer machen darf, was es will. Immerhin gelten in der Familie und auch in der Gesellschaft gewisse Regeln an welche sich alle halten müssen. Und sollte mal ein Teller voller Nudeln an der Wand landen, dürfen wir Eltern sehr wohl verärgert sein (ganz besonders bei Nudeln mit Tomatensauce). Und es bedeutet gewiss nicht, dass wir jede freie Minute mit dem Kind verbringen müssen. Und zwar jeden Tag. Denn auch Eltern haben Bedürfnisse.

Es bedeutet eher, dass wir versuchen dieses kleine Geschöpf zu verstehen. Warum es am Straßenrand die Kieselsteine aufsammelt anstatt weiter zu gehen. Warum es so viel Wert darauf legt, bei 30°C eine Haube anziehen zu wollen. Warum es nicht im Kinderwagen sitzen mag, warum es so viel Freude hat etwas auszuräumen und es zu verstehen, wenn es wütend wird oder Unfug im Schilde führt.
Es bedeutet liebevoll den Weg zu weisen ohne alle Stolpersteine aus dem Weg zu räumen, ohne es zum weitergehen zu drängen und ohne es auf diesem Weg zu tragen. Habe ich es richtig verstanden? Hätte ich nur die Möglichkeit gehabt dies mit Ihnen persönlich zu besprechen!

Alles Liebe,
Anna (vom Mars)

10 Kommentare

  1. Wundervoll geschrieben...ich komme gerne mit dir auf den Mars, wenn es uns dabei hilft, die Kinder zu verstehen und endlich so zu akzeptieren wie sie sind...neugierige, aktive, wissbegierige, liebenswerte, kleine, selbständige Persönlichkeiten... ICH BIN DABEI...auf zum Mars!!! Lg Feixiiii

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  2. Eine schöne Idee, einen Brief an die Autorin zu schreiben! Und wirklich interessante Gedanken!
    Ich stelle fest, ich brauche mehr Information. Welches Buch würdest du mir denn empfehlen zum Thema Montessori, wenn ich nur eines erstmal lesen möchte?

    Liebe Grüße,
    Janina

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    1. Lieben, ermutigen, loslassen von Heidi Maier-Hauser (und Montessori von Anfang an von Paula Polk Lillard und Lynn Lillard Jessen) ;)
      LG,
      Anna

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    2. Haha, du bist gemein! Jetzt sind's ja doch zwei! :-P

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  3. Wir sollen versuchen die Kinder zu verstehen und ihre Begleiter zu sein, ihnen Freiheiten in einem für sie überschaubaren Rahmen zu geben und sie an die Hand zu nehmen, wenn sie etwas nicht können, bzw. noch nicht richtig einschätzen können. Ich finde, dass ist nicht unbedingt etwas außergewöhnliches, bzw. sollte nichts außergewöhnliches sein und es gibt schon viele, die das so handhaben. Aber meine Wahrnehmung ist natürlich auch gefärbt durch mein Umfeld. Ganz so wie vom Mars habe ich mich mit meinen Ansichten bis jetzt noch nicht gefühlt und ich glaube, ich bin schon ein wenig durch die Montessoripädagogik geprägt. ...
    Liebe Grüße
    Stefanie

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  4. total schöner Brief! Ich versteh genau was du meinst! Aber eigentlich ist es doch sooo egal was andere denken? Dann sind wir eben Ökofanatiker :) ! Wichtig ist mir dass es uns und unseren Kindern gut geht. Ich findes wunderschön wie ihr das macht!

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  5. Hallo Anna,

    du schreibst wunderschön. Und dieser Brief hier hat mir ein bisschen das Pipi in die Augen getrieben. Ja, so fühle ich mich auch manchmal, ich kann dich sehr verstehen. Ich hoffe nur jeden Tag, dass ich meine Kleine auch wirklich verstehe und wirklich sehe - in unserer schnelllebigen und multitaskenden Welt muss man sich selbst da ganz schön disziplinieren und entschleunigen, um das Kind in all seinen Facetten wahrzunehmen.

    Ich schaue übrigens sehr gern in deiner Blog-Welt vorbei und lasse mich inspirieren. - Danke! ...Und ich glaube, du hast es richtig verstanden. Auch, wenn ich nicht Maria M. bin - muss ich dir so antworten ;)
    Lieben Gruß
    Sarah

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    1. Jetzt bin ich gerührt! ♥ Vielen lieben Dank für Deinen unglaublich netten Kommentar, liebe Sarah! Du hast so recht, die Welt der Erwachsenen ist zu schnell, zu hektisch. Kinder sehen noch in allem das Wesentliche, lieben das Leben und genießen das Lernen. Und diese Kinder sind unsere Zukunft! Wäre schade, dieser Zukunftshoffnung keinen Freiraum zu lassen bzw. sich nicht entfalten zu lassen. Oder?
      Ganz liebe Grüße,
      Anna

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